Mein letzter Eintrag liegt nun schon fast eine Woche zurück und das hat mehrere Gründe. Auf den für die Leser dieses Blogs sicherlich interessantesten, nämlich unsere viertägige Dschungeltour in den Amazonas, will ich jetzt etwas ausführlicher eingehen.
Zufälligerweise habe ich letzten Samstag in Quito ein kleines Reisebüro gefunden, in dem die netteste Frau, die man sich vorstellen kann, arbeitet. Denn sie hat mir nicht nur hervorragende Tipps für die Dschungeltour gegeben, die sie selbst schon mit ihrer zehnjährigen Tochter gemacht hat, wie zum Beispiel nicht den Nachtbus zu nehmen, sondern einen Tag früher anzureisen, damit die Kinder ausgeschlafen auch noch bis zur Nachtwanderung im Dschungel fit sind, sondern auch einen ordentlichen Rabatt. Außerdem hat sie gemerkt, dass es mir gar nicht gut ging und hat mich einfach mal fest in den Arm genommen. Solche kleinen Gesten bedeuten in der Ferne, weit weg von Freunden und Familie, manchmal besonders viel.
Nach einem gemütlichen Sonntag in Quito, an dem wie an jedem Sonntag die Altstadt für Autos gesperrt war und die sportlichen Quiteños fleißig joggten und Fahrrad fuhren, ging es für uns also am Montag erst einmal mit dem Taxi zum Busbahnhof und dann mit dem öffentlichen Bus nach Lago Agrio. Die Fahrt war zwar holprig, aber landschaftlich sehr eindrucksvoll, denn gefühlt alle paar hundert Meter wurde der dichte Wald durch Wasserfälle unterbrochen, die in Europa ihre eigenen Touristenströme angezogen hätten. Ein kleiner Wermutstropfen auf den Busfahrten in Südamerika sind leider die immer viel zu lauten und extrem brutalen Filme, die manchmal auf einem großen oder auch auf mehreren kleinen Bildschirmen gezeigt werden und die man nicht aus oder leiser stellen kann. Deswegen ist wohl mein häufigster Satz unterwegs „Schaut nicht hin!!!“
In Lago Agrio angekommen, waren es 36 Grad und wir liefen aus dem klimatisierten Bus wie gegen eine Wand. Deswegen gab es zum Abendessen mal wieder Eis, diesmal mit Crêpes, und dann haben wir uns schnell in unser klimatisiertes Zimmer verzogen.
Am Dienstagfrüh ging es dann los in den Dschungel und diese vier Tage haben sich angefühlt wie Urlaub vom Reisen, denn alles war perfekt organisiert. Unser Guide Jairo hat sich so hervorragend um uns gekümmert und uns mit seiner lebenslustigen, manchmal aber auch lebensmüden Art so begeistert, dass der Abschied uns gestern extrem schwer fiel.
Schon auf der Kanufahrt zur Lodge haben wir ein Faultier abhängen und viele verschiedene Vögel fliegen sehen. In der Lodge angekommen, hatten wir kurz Zeit, unsere Schwimmsachen anzuziehen und dann machten wir uns auf die Suche nach den legendären pinken Flussdelfinen. Leider hatten wir am ersten Tag aber noch kein Glück. Als wir vor einem wunderschönen Sonnenuntergang in der großen Lagune unter einem Regenbogen vom Boot aus ins Wasser sprangen, war das aber schnell wieder vergessen. Nach dem bombastischen Abendessen, das ein Vorgeschmack auf die kulinarischen Köstlichkeiten der kommenden Tage war, ging es los zur Nachtwanderung durch den Dschungel. Dabei lag der Fokus auf allem, was krabbelt. Wir haben gelernt, dass die Ameisen nicht nur in einem affenartigen Tempo riesige knallgrüne Blätter transportieren, sondern auch kräftig zubeißen können und dass es bei den Spinnen kein Limit gibt, was die Größe angeht.
Am nächsten Früh ging es mit dem Kanu los zu einem Teil des Dschungels, in dem wir in Gummistiefeln und langen Hosen und dementsprechend wie die Schweine schwitzend zu einer dreistündigen Wanderung aufbrachen. Dabei zeigte uns Jairo, welche Ameisen wie saure Centershocks schmecken, welcher der giftigste Frosch Ecuadors ist – den er dann mal eben mit bloßer Hand gefangen hat, damit wir auch schöne Fotos machen konnten – und welche Bäume einen natürlichen Insektenschutz verspritzen, wenn man mit dem Messer in die Rinde sticht. Zurück ging es dann im Paddelboot und vor dem Mittagessen durften wir uns in der großen Lagune abkühlen.
Nachmittags machten wir uns dann mit dem Kanu auf die Suche nach sonnenbadenden Anacondas, die hier bis zu sieben Metern lang werden, aber zu meiner großen Erleichterung hatten die an diesem Tag wohl keine Lust auf Sonne. Tatsächlich hat sich unser grandioser Guide zusammen mit unserem immer lachenden Capitan Juanito dann aber doch tatsächlich verirrt, und der Rückweg dauerte doppelt so lang wie der Hinweg, sodass die Sonne schon tief am Himmel stand, als wir zum allabendlichen Bad in die Lagune sprangen. Auf der anderen Seite zog ein Sturm auf, der den Himmel abwechselnd grell gelb und rosa leuchten ließ. Auf Sophies besorgte Frage, ob das Schwimmen denn dann nicht gefährlich sei, antwortete der Guide, dem wir inzwischen absolut vertrauten, dass wir uns keine Sorgen machen müssten. Kaum war die Sonne untergegangen, machten wir uns dann unter Donnergegroll und bei blitzendem Himmel als einzige Lichtquelle auf die Suche nach Kaimanen, die unserer Lodge den Namen gegeben haben. Tatsächlich dauerte es keine fünf Minuten, dass Jairo die ersten roten Augen im Dunkeln entdeckte und Juanito das Boot zielstrebig ins immer dichter werdende Unterholz steuerte. Während manche unserer achtköpfigen Reisegruppe noch nach den roten Augen suchten, hatte unser Guide schon beherzt in Wasser gegriffen und sich das Minikrokodil geschnappt, damit wir wie beim Frosch wieder gute Fotos machen konnten. Danach bedankten wir uns brav und er entließ das völlig tiefenentspannte Fotomodell zurück ins Wasser. Inzwischen war der Sturm direkt über uns und die Mädels saßen im Stockdunkeln nur im Bikini bekleidet im Boot und fanden die Situation im Gegensatz zu mir megacool. Als Jairo dann nur auf Flipflops vom Kanu sprang, weil ihm ein anderer Guide von einer verletzten Anaconda erzählt hatte und uns allein ließ, verglich dann selbst Emma das Szenario mit dem eines Horrorfilms. Glücklicherweise kam er aber bald zurück und ließ sich den inzwischen hart prasselnden Regen am Bug stehend wie der Gott des Dschungels persönlich bei Blitzlicht ins Gesicht prasseln.
Am nächsten Morgen ging es dann los in das Dorf indigener Dschungelbewohner. Auf dem Weg dahin sahen wir nicht nur eine ganze Gruppe Otter im Fluss spielen, sondern auch viele verschiedene Affenarten. Im Dorf durften wir dann einer Frau helfen, Yuccawurzeln zu ernten, zu raspeln, auszupressen, zu sieben und aus dem entstandenen Mehl Fladenbrot zu backen. Das gab es mit einer scharfen Soße und einem von Jairo gezauberten Ceviche. Da die Männer des Dorfes wohl am Vortag erfolgreich jagen waren, gab es für uns auch noch eine Probierportion Wildschwein und Riesenratte. Insgesamt ein wirklich außergewöhnliches und sehr leckeres Mittagessen. Danach ging es weiter zu einem ortsansässigen Schamanen, dessen Heilkünste ihn so berüchtigt machen, dass er regelmäßig nach Kolumbien reisen muss, um dort Leute zu heilen. Uns hat er gesegnet und einen Schluck Ayahuasca angeboten. Als er dann einen Freiwilligen suchte, der die Schale leer trank, um seine Kosmovision zu teilen und alle bösen Geister zu verscheuchen, waren die sonst recht vorlauten Israelis ganz still. Deswegen habe ich mich kurzentschlossen freiwillig gemeldet, weil ich die Mädels in der Gruppe für den Fall eines Totalausfalls meinerseits in den besten Händen wusste und gerade genug Geister zum Verscheuchen habe. Erstmal merkte ich gar nichts, war aber froh, dass ich mich schon gemeldet hatte, als Freiwillige gesucht wurden, sich mit dornigen Pflanzen den Rücken auspeitschen zu lassen. Hier waren nun die Jungs dran. Nach einer Fragerunde mit dem Schamanen durften wir alle noch einmal probieren, mit dem Blasrohr einen kleinen Holzpapagei mit Pfeilen abzuschießen, die für die Jagd in das Sekret des Giftfrosches, den wir am Vortag getroffen haben, getaucht werden und dafür sorgen, dass die Beute innerhalb von drei Minuten tot ist. Während alle anderen fleißig um die Wette pusteten, wurde mir ein bisschen schwummrig. Als der Schamane sagte, dass wir erst gehen dürften, wenn jemand den Papagei getroffen hätte, versuchte ich mein Glück und während Ayahuasca bei anderen Halluzinationen auslöst, scheint es bei mir Zielwasser zu sein, denn obwohl ich noch nie bei einer Schießbude irgendetwas getroffen habe, traf ich doch tatsächlich den kleinen Papagei und keiner konnte es glauben. Auf dem Nachhauseweg hatte ich dann wirklich das Gefühl, auf einer Glückswelle zu schwimmen, als uns auch noch drei pinke Delfine neben dem Boot begleiteten.
Zurück in der Lodge hüpften wir wieder in die Badesachen und los ging es zum letzten Dschungelsonnenuntergangsschwimmen, das inzwischen bei den männlichen Mitgliedern unserer Reisegruppe zum Rückwärtssaltowettbewerb vom Boot geworden war. Danach ging es zum Abendessen nach Hause und dann direkt wieder los, um nochmal im Dunkeln nach Schlangen und Kaimanen Ausschau zu halten. Diesmal sahen wir die roten Augen alle schon von Weitem und als wir näher rankamen, lag doch da am Rande der Lagune, in der wir bis dahin jeden Tag schwimmen waren, ein fast vier Meter großer Kaiman, der, als wir direkt neben ihm waren, in aller Ruhe abtauchte und uns seine gigantischen Ausmaße zeigte. Gleich danach leuchtete es gelb aus einem Baum und tatsächlich waren es die Augen einer Boa Constrictor. Mir hätte es ja völlig gereicht, sie aus dem Boot zu betrachten, aber Jairo hatte mal wieder andere Pläne, hat einen Ast abgebrochen, die Schlange darauf beschworen, damit wir sie uns wieder aus nächster Nähe anschauen durften. Mutig wie ich bin, habe ich meine Augen einfach ganz fest zugemacht. Als die Schlange wieder sicher im Baum saß, lohnte es sich aber, die Augen wieder aufzumachen, denn wir fuhren mitten in den See, machten alle Lichter aus und waren allesamt sprachlos ob des atemberaubenden Sternenhimmels, der sich über uns erstreckte.
Unser letzter Tag begann mit dem Sonnenaufgang auf dem Aussichtsturm und einer letzten Fahrt mit dem Kanu, bei der wir Zeugen wurden, wie eine ganze Affenbande im Sprung den Fluss überquerte und viele Papageien über die Bäume flogen. Als es dann Zeit wurde, uns von der Lodge und dem Dschungel zu verabschieden, fiel uns das sehr schwer. Auf der Fahrt zurück nach Quito mussten wir uns dann auch wieder von den schwülheißen Temperaturen verabschieden, denn wir kamen bei 9 Grad kurz nach Mitternacht in der Hauptstadt an. Trotz der Strapazen der Fahrt waren wir uns einig, dass sich der Ausflug in den Dschungel total gelohnt hat.