Unser Übernachtbus ist nicht, wie gestern angekündigt, um 5.30 Uhr in Popayan angekommen, sondern tatsächlich völlig unerwartet zwei Stunden früher. Schlaftrunken sind wir also aus dem Bus, über die Straße ins nächstbeste Hostel getaumelt, wo wir uns für 100.000 Cop bis mittags ausschlafen durften. Nach einer Dusche, bei der im Gegensatz zur Übersetzung im Wörterbuch „Caliente“ mal wieder für saukalt stand, war ich dann auch wirklich fit und habe mich jetzt zum ersten Mal auf dieser Reise von den Kindern verabschieden müssen, was mir wirklich schwerfällt, aber für sie steht Papazeit in Popayan an.
Ich bin zurück zum nahen Busbahnhof gelaufen und habe den nächsten Bus nach San Agustin genommen, der wiederum zwei Stunden länger, als angekündigt gebraucht hat, sodass es bei der Ankunft schon dunkel war und ich erst morgen überprüfen kann, ob das Städtchen so entzückend ist, wie es der Reiseführer verspricht. Die Hinfahrt war aus ganz unterschiedlichen Gründen schon ein Abenteuer für sich. In dem Kleinbus saßen 14 Kolumbianerinnen und Kolumbianer und ich – als Raritätenshow sozusagen. Für mich ungewöhnlich war dabei, dass es sich um fünf Mütter mit ihren Söhnen so Anfang/ Mitte 20 handelte und noch vier Alleinreisende. Während die Söhne alle an ihren Handys daddelten – überraschenderweise größtenteils auf Facebook, was meine Schüler zuhause schon vor Jahren als Social Media der alten Leute erklärt haben – , waren die Mütter sehr an mir interessiert und haben mich offensichtlich für deutlich jünger gehalten, als ich bin, da sie mir der Reihe nach ihre peinlich berührten Söhne angepriesen haben.
Um dieser Situation zu entfliehen, stellte ich mich schlafend, was ich sehr schade fand, weil die vorbeiziehende Szenerie mit ihrem saftigen Grün, den sanften Hügeln in der Ferne und der vielen unberührten Natur wunderschön war. Nach zwei Stunden Fahrt gab es eine Mittagspause, in der der Busfahrer mich vor den Muttis rettete, indem er mich an seinen Tisch winkte. Tatsächlich bestellte er auch gleich für uns beide „Trucha frito“, ohne mich zu fragen, was ich wollte. Erst fand ich das etwas befremdlich, als dann aber eine hervorragende, kross gebackene Forelle in Orangensud auf Mango-Linsengemüse serviert wurde, konnte ich mich wirklich nicht beschweren.
Nach der Mittagspause folgten zwei furchtbar holprige Stunden, da bei dem Weg durch den Nationalpark nicht von einer Straße, sondern höchstens von einer Ansammlung von Schlaglöchern die Rede sein kann. Obwohl wir kaum schneller als 10km/h fuhren, hatte ich Angst, das die leckere Forelle noch einen unerwünschten Auftritt hinlegen könnte. Als wir es endlich zurück auf eine asphaltierte Straße geschafft haben, hatte ich mir mehrere Beulen am Kopf, der immer wieder an die Seite des Bus geschleudert worden war, geholt und fand es sehr entspannend, als es einen Baustellenstau gab und der Bus einfach mal still stand.
Da sahen die Kuppelmamis aber ihre Chance und schickten die Söhne los, bei den am Straßenrand stehenden Händlern allerlei kolumbianische Köstlichkeiten anzuschleppen, die ich unbedingt probieren musste. Nun wollte ich ja nicht unhöflich sein und mampfte erst ein Teiggebäck in mich hinein, das mich an die ausgezogenen Krapfen meiner Kindertante zu Fasching erinnerte, dann gab es eine pikante Nussmischung und später noch einen neongrünen Zuckerball. Das alles sollte ich mit einer heißen Schokolade hinunterspülen. Tatsächlich waren alle Sachen köstlich, in Kombination aber einfach zu viel, sodass die herumstreunenden Straßenhunde sich über die Reste freuen konnten.
Glücklicherweise war der Rest der gemeinsamen Strecke weniger holprig. Als der Busfahrer aber an einer Panaderia hielt, bekam ich schon Angst, als ich das Riesenangebot an Backwaren sah. Es stellte sich aber heraus, dass das für einen der Alleinreisenden und für mich den Abschied von der Gruppe bedeutete, denn wir wurden mit 5000 Cop in der Hand an der Straße rausgeschmissen und sollten den Rest der Strecke mit dem nächsten Taxi fahren. Als der einheimische Mitreisende dann aber einen mit Menschen und Säcken voller Kaffeebohnen beladenen Pickup heranwinkte, musste ich schon etwas schmunzeln. Mein Gepäck und ich wurden kurzerhand hinten auf der Ladefläche voller Kaffeebohnensäcke verstaut und los ging der letzte Abschnitt der wilden Fahrt, der bei Weitem nicht der unangenehmste des Tages war.