Nachdem ich gestern Abend zum Geräusch von prasselndem Starkregen eingeschlafen bin, verstehe ich jetzt besser, wie hier alles so unendlich grün sein kann. Das Hostel, das ich mir ausgesucht habe, liegt auf einem Berg und hat eine unglaubliche Aussicht. Heute Morgen um neun wurde ich dann, wie gestern Abend bei der Agentur vereinbart, hier mit dem Moped abgeholt und nach einer kurzen Fahrt gab es den fliegenden Wechsel von zwei Rädern auf vier Hufe. Mit einer Französin namens Magalie und unserem Guide namens Edwin ging es im flotten Galopp los zum Ausritt durch die Berge.
Da man in San Agustin aber nicht weit kommt, ohne an jeder Ecke auf außergewöhnliche archäologische Ausgrabungen zu stoßen, gab es insgesamt drei Pausen. Die erste bei La Chakira, wo man nicht nur einen fulminanten Blick auf die Schlucht des Magdalenaflusses hat, der sich insgesamt 1540 Kilometer durch Kolumbien bis ins karibische Meer schlängelt, sondern auch eine sehr ungewöhnliche, aufrecht stehende Steinfigur in den Felsen bewundern kann. Danach ging es steil den Berg hoch zu El Tablon, einer weiteren Aussichtsplattform, auf der angeblich über 5000 Jahre alte Gräber gefunden worden sind. Der letzte Stop war danach La Pelota, wo die einzigen bunten Steinstatuen, die etwa 600 Jahre alt sind, zu finden sind.
Glücklich, aber auch ordentlich schwitzend kamen wir und die Pferde nach vier Stunden wieder zurück. Als Belohnung bekamen die Pferde geraspeltes Süßholz – das ist kein Scherz – und ich die morgens noch wegen des nur eiskalten Wassers verschobene Dusche, die jetzt aber genau das Richtige war. Erfrischt machte ich mich dann direkt auf den Weg zur größten Sehenswürdigkeit San Agustins – dem Parque Archeologico Nacionale.
Dieser ist riesengroß und versteckt im Dschungel mehrere hundert, teilweise uralte und die Fantasie anregende Statuen. Manche sind Tieren, manche Monstern nachempfunden und das, was sie in der Hand beziehungsweise auf dem Kopf tragen, hat immer irgendeine tiefere Bedeutung. Die Erkundung des gesamten Geländes dauerte weitere vier Stunden und hielt viele Höhenmeter bereit, sodass bei dem heißen, feuchten Klima eigentlich gleich die nächste Dusche angesagt gewesen wäre.
Stattdessen habe ich mir aber lieber noch das Dörfchen angeschaut, was definitiv keine vier Stunden dauert. Die kleine Kirche, die innen durch die kleinen, bunten Fenster sehr dunkel und mystisch wirkt, hatte vielleicht auch durch die betenden Frauen einen sehr beruhigenden Charakter. Der davor liegende Platz hatte sich in der kurzen Zeit, in der ich in der Kirche war, mit Street Food-Wägen, Straßenmusikanten und Menschen jeden Alters gefüllt. Da ich das Mittagessen bis hierher noch aufgeschoben hatte, schien mir das die ideale Gelegenheit, mich durch die verschiedenen Stände zu futtern. Gleich der erste hatte aber einen etwa Handteller großen gold gebackenen Käsetaler im Angebot, der zwar super lecker, aber auch so stopfend war, dass ich mich gar nicht weiter durchtesten konnte.
Ein sehr alter Opi winkte mich zu sich und machte mir neben sich auf der Mauer Platz, damit ich mich setzen konnte. Als er hörte, dass ich aus Deutschland komme, war er hocherfreut, denn er konnte in etwa so viel Deutsch wie ich Spanisch, da er früher mal als Touristenführer gearbeitet hatte. Im Lauf der nächsten Stunde blieb ich genau da sitzen, lernte gefühlt all seine Freunde kennen und konnte einfach mal ganz ungeniert Leute anschauen. Während dieser Zeit hat der Käsebäcker bestimmt hundert seiner Taler verkauft und an keinem anderen Stand war so viel los wie bei ihm. Also war ich beruhigt , dass ich zumindest die richtige Wahl getroffen hatte. Was mir beim Leute beobachten auffiel, ist, dass viele Familien in drei oder sogar vier Generationen auf dem Platz unterwegs waren. Während der ältesten auf den Bänken Platz gemacht wurde, holten die jüngeren für alle zu essen und zu trinken und dann wurde gemeinsam geschlemmt. Wahrscheinlich ist es auch in Kolumbien nur noch auf dem Land so, aber das Ganze hatte eine so entspannte Art, den Tag ausklingen zu lassen, wie ich es nur von früher vom Feierabendbänkle in der Nachbarschaft kenne, wo mehrere Generationen und Nachbarn zusammen kamen. Leider geht hier in Äquatornähe die Sonne ja immer schon gegen sechs unter und so machte ich mich mit vielen neuen Eindrücken, Erlebnissen und Begegnungen im Gepäck an den letzten Aufstieg des Tages zurück ins Hostel.