Eine Nacht in Medellin – nicht jugendfrei!

Die Busfahrt von Salento nach Medellin war lang und diesmal waren elf von 16 Passagieren Holländer, die zwar nicht zusammen unterwegs waren, aber alle gemeinsam hatten, dass sie sich auf einer dreiwöchigen Urlaubsreise in Kolumbien befanden. Dementsprechend ausgelassen war die Atmosphäre im Bus auch und irgendwie war jeder mit jedem über die Sitzbänke in Kontakt, um sich über Routen und Empfehlungen auszutauschen. Leider kam es dann 20 Kilometer vor der Endstation zu einem großen Stau, was im ersten Moment der Stimmung noch keinen Abbruch tat, weil doch glatt ein junger, zwei Meter großer, rothaariger Holländer, der bei der Pause vorher wie ein Star von einer kolumbianischen Schulklasse gefeiert wurde und sich mit allen Kindern einzeln fotografieren lassen musste, das holländische Kinderliedchen „Wij zijn er bijna “ angestimmt hat. Als wir dann mit einer einstündigen Verzögerung am Unfallort vorbeikamen, ist das Lied aber allen in der Kehle stecken geblieben, da der Grund ein sehr schlimmer Motorradunfall war, der mich in Zukunft zweimal überlegen lässt, ob ich das noch einmal als Fortbewegungsmittel wähle.

Meine Stimmung stieg auch nach der Ankunft am Busbahnhof nicht sonderlich, weil sich die Taxifahrer als rechte Schmierlappen entpuppten, die sich weigerten, mich zum Hotel zu bringen, weil meine mobilen Daten nicht funktionierten und ich sie also nicht hätte lotsen können. Also bin ich erst losgezogen, um mich um das Handydilemma zu kümmern und bin danach mit einem noch vergleichsweise nett wirkenden Taxifahrer total im Feierabendverkehr stecken geblieben. Als der Taxifahrer dann ein Gespräch begann, fand ich das im ersten Moment noch ganz unterhaltsam. Natürlich ließ die Frage, ob und warum ich denn allein reise, nicht lange auf sich warten und da ich bis dahin noch keine schlechten Erfahrungen gemacht hatte, antwortete ich wahrheitsgemäß und erklärte knapp meine Situation. Im Gegensatz zum Mitleid, das ich in solchen Situationen bisher immer bekommen habe, schien dieser Mann das aber leider für eine Einladung zu halten und begann mir sehr offen, unanständige Angebote zu unterbreiten, die unter Anderem auch die Wörter Marihuana und Kokain enthielten. Schockiert und angewidert warf ich ihm den ausgemachten Betrag auf den Sitz und flüchtete quasi in meine Unterkunft.

Daraus habe ich nun zwei Dinge gelernt: Erstens ist es wohl ein Unterschied, ob man unsere Geschichte mit zwei süßen Mädels im Gepäck erzählt oder als allein reisende Frau. Zweitens werde ich in Orten wie Medellín jetzt nur noch Uber-Autos und keine Taxis mehr benutzen, wo ich vorher sehen kann, wer mich da fährt und wie andere Passagiere ihn bzw. sie bewerten. Kurz habe ich sogar überlegt, ob ich den Abend nun lieber bei einem Film im Hotel verbringe, aber da ich ja nur eine Nacht in Medellín habe und so viel Gutes über das Salsatanzen gehört hatte, wollte ich mir den Abend auch nicht durch diese eine unangenehme Begegnung kaputt machen lassen.

Also zog ich schnell mein schickstes… und auch einziges… Kleid an, versteckte mein Geld und Handy gut und sicher darin und suchte mir mit der Uber-App eine Fahrerin, die mich in das Partyviertel El Poblado brachte. Los ging es in einer kleinen Bar namens Son Havana, in der es Mittwochs Abends immer gratis Salsatanzkurse bei Live-Musik gibt. Das war wirklich toll und meine Anspannung fiel beim wilden Tanz wieder völlig von mir ab. Danach zog ich los, mir das Nachtleben der Stadt genauer anzuschauen und dabei quollen mir wirklich die Augen und die Ohren über. Eine solche Ansammlung von bunt beleuchteten Bars und Diskotheken, partywütigen Leuten und kleinen Salsa-Bands, die an jeder Ecke Musik machten und die Leute zum Tanzen brachten, habe ich noch nie gesehen. Diese Stadt vibriert förmlich vor lauter Lebenslust und Tanzwut, was ich toll und ansteckend fand.

Aber auch die Kehrseite der Medaille will ich nicht verschweigen, denn es gibt hier auch unzählbar viele Prostituierte, Bettlerinnen mit Kindern und kleine für Geld tanzende Mädchen, was wiederum ein abschreckendes Abbild der Situation vieler südamerikanischer Frauen ist. Das in Kombination mit meiner vorherigen Begegnung mit dem Taxifahrer zeigen, dass der Feminismus hier noch einen weiten Weg vor sich hat. Heute habe ich keine Bilder, weil ich mein Handy zur Sicherheit mal lieber nicht aus seinem Versteck nehmen wollte.

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