Bei Cathedral Cove handelt es sich laut Reiseführer um eine der meist besuchten Sehenswürdigkeiten Neuseelands, die merkwürdigerweise aber im Sommer gar nicht so leicht zu erreichen ist und deswegen ein bisschen Planung erfordert.
Zuerst einmal ging es heute aber am sehr komfortablen Campingplatz am Red Beach los, indem ich mir angesehen habe, wie die Sonne in rasendem Tempo über die Hügel geklommen ist und das Wasser golden gefärbt hat und irgendwie wird es für mich nie langweilig, mir Sonnenauf- und untergänge anzuschauen. Das macht mich nicht nur glücklich, sondern versinnbildlicht ja auch, dass alle Tage, egal wie anstrengend oder ätzend, unwiderruflich enden und es dann aber genauso unaufhaltbar wieder neu losgeht und das gibt mir immer wieder Hoffnung.
Nach dem Frühstück stand dann eine dreistündige Fahrt zur Coromandel-Halbinsel an, während der wir noch einmal Aucklands Harbour Bridge passierten und die in der Sonne glitzernde Skyline erneut bewunderten. Eigentlich hatten wir vor, die Fahrt durch einen Supermarktbesuch zu unterbrechen, bei dem wir die Vorräte, die jetzt tatsächlich vier volle Tage gehalten hatten, wieder aufzufüllen. Naiv wartete ich darauf, dass irgendwo an der Straße unser Lieblingsladen namens „Countdown“ auftauchen würde, aber da hatten wir diesmal leider kein Glück und erst als ich auf die Bergstraße, die die Halbinsel und ihre Wälder und Hügel durchquert, einbog, fiel mir ein, dass ich vielleicht vorher mal hätte googeln sollen, ob es in den kleinen Strandorten auf der anderen Seite, die für heute unser Ziel waren, überhaupt noch große Supermärkte gibt.
Diese letzte Etappe war zwar die landschaftlich reizvollste, aber auch die für mich als doch nicht so erfahrene Fahrerin des Wohnmobils auch anstrengendste, weil die Kurven sehr eng und die Hügel sehr steil waren. Ich bin nur froh, dass die Neuseeländer hier vorsorgen und in jeder Kurve auf gelb-schwarz gestreiften Schildern eine Idealgeschwindigkeit angeben, mit der man die Kurve nehmen soll, denn von allein wäre ich wohl oft nicht drauf gekommen, auf nur 20 km/h runterbremsen zu müssen, damit es uns nicht wie einen giftgrün-lila Blitz aus der Kurve schleudert.
Nach gut drei Stunden war es geschafft und wir sind in Hahei angekommen, wo es eben nur einen General Store und keinen Supermarkt gibt, der ungefähr die Fläche unseres alten Wohnzimmer einnimmt und mich sehr an den alten Tante-Emma-Laden in meinem Heimatdorf erinnert hat. Auch die Verkäuferin im Laden war ähnlich freundlich und gesprächig wie Marita damals und erzählte uns gleich, dass man nur bei Ebbe am Strand entlang zum berühmten Cathedral Cove wandern kann und dass wir uns nun echt sputen müssten. Sputen war für uns mit Emmas Erkältung aber nicht drin. Also kauften wir bei dem kleinen Angebot und den horrenden Preisen nur das Wesentliche, wie Haferflocken, Brot, Belag und Eier und fuhren zum örtlichen Strand, dessen glitzerndes Wasser, weicher Sand, und wunderschöner Ausblick nicht nur den gestrigen an der Bay of Islands locker übertrumpfte, sondern auch so sehr zum Verweilen einlud, dass die Kinder gleich fragten, ob auf dem Parkplatz Freedom Camping erlaubt war.
Emma entschied vernünftiger Weise, dass Schwimmen ihrer Erkältung nicht gut tun würde und entspannte sich bei dem fantastischen Ausblick im Wohnmobil, während Sophie und ich gar nicht schnell genug die Badesachen anziehen konnten, um ins Wasser zu rennen. Kaum berührten wir aber das glitzernde Wasser, blieben wir vor Schreck stehen, da es sich anfühlte, als würde unser Blut wortwörtlich in unseren Adern gefrieren. Hinter uns lachte ein älteres neuseeländisches Ehepaar, das kurz vorher aus dem Wasser gekommen war und spornte uns an, dass der einzige Weg wäre, einfach weiterzurennen, dass das Wasser doch nicht „cold“, sondern nur „a little bit fresh“ wäre. Da wir ja auch nicht als Weicheier dastehen wollten, sind Sophie und ich also weitergerannt, bis uns die sich an einer Sandbank brechende Welle über den Kopf geschwappt ist, aber nach drei Minuten kreischendem Planschen, fand ich, dass wir unseren Mut wirklich zur Genüge unter Beweis gestellt haben und wärmte mich lieber wieder in der warmen Sonne auf.
Als ich später im Wetterbericht für morgen sah, dass das schöne Wetter durch Regenschauer zunichte gemacht werden könnte, wurde ich nervös, dass wir eventuell den langen Weg hierher gemacht hätten, ohne Cathedral Cove in der Sonne bewundern zu können. Also suchte ich nach anderen Möglichkeiten, dorthin zu kommen und fand heraus, dass es einen Bus gab, der einen auf den Hügel brachte, von dem man dann nur eine halbe Stunde nach unten laufen müsste. Dass der Bus nur bis sechs Uhr abends fuhr und dass man, wenn man runter läuft, auch wieder hoch muss, habe ich hier mal kurz ausgeblendet.
Der Busfahrer war ein wirklich liebenswerter älterer Mann, der mir von seiner Tochter, die ungefähr in meinem Alter sein muss, erzählte, die vor Kurzem geheiratet hat und nun 450 Kilometer weit entfernt wohnt und er sie nur selten besuchen kann, weil er seine Katze nicht allein lassen will. Für uns eine völlig irrelevante Geschichte, aber ich schreibe das hier auf, weil es zeigt, wie Unterhaltungen mit Neuseeländern innerhalb einer fünfminütigen Busfahrt laufen. Danach hat man immer das Gefühl, man würde sich schon lange kennen.
Von der Bushaltestelle aus ging es dann über einen wunderschönen Weg durch Wälder und Felder nach unten zum Strand, wo sich Cathedral Cove, ein wunderschöner Steinbogen über das türkisblaue Wasser erstreckt. Kaum waren die Sandalen abgestreift, begann Sophie ihren inzwischen schon routinierten Glückstanz am Strand, der immer dann zum Vorschein kommt, wenn naturgewaltige Schönheit einem den Atem raubt. Emma dagegen vergaß die Rotznase und poste ebenso routiniert für meine Handykamera.
Mit der Abfahrt des letzten Busses um sechs Uhr im Hinterkopf machten wir uns dann erstmal barfuß und völlig sandverkrustet an den Aufstieg zurück zum Parkplatz. Trotz sandiger Füße und Rotznase schafften wir es bis fünf vor sechs, mussten dann aber feststellen, dass der Bus schon früher abgefahren war und wir den Weg zum Wohnmobil laufen mussten. Das fanden die Kinder im ersten Moment ganz schön ätzend, als wir dann aber eine Unterhaltung über die verschiedenen Berufsmöglichkeiten nach der Schule begannen, verging die Zeit wie im Flug und wir waren im Nu im Dorf angekommen, wo es zur Belohnung ein Eis gab und wir alle waren uns einig, dass es sich trotzdem gelohnt hat.
Eines der allerallerallerschönsten Fleckchen auf Erden, wie ich finde 😍 Fernweh lässt grüßen! Habt es schön!!