Vorgestern ging es für uns vom frostigen Mount Taranaki, der sich zur Zeit des Sonnenaufgangs fest im Nebel versteckte, sodass wir den Wecker getrost wieder ausschalten und noch eine Runde weiterschlummern konnten, an der Westküste entlang Richtung Süden. War die letzte lange Fahrt wegen des schlechten Straßenbelags und der vielen Kurven aufregend und anstrengend, war die Herausforderung diesmal der Wind, der so fest pustete, dass wir Angst hatten, er haut unsere Jucy um. Tatsächlich konnte ich kaum eine Hand vom Lenkrad nehmen, um mir die Nase zu putzen, da wir oft sprunghaft Richtung Meer geschleudert wurden und heftiges Gegenlenken nötig war. Genauso stürmisch wie die Fahrt war dann unsere Mittagspause an einem der schwarzen Vulkanstrände der Westküste. Zwar glitzerte der dunkle Sand wunderschön in der Sonne, aber als wir darauf liefen, wehte der Wind ihn uns so fest um die Ohren, dass es sich überall, wo er nackte Haut berührte, anfühlte wie ein schmerzhaftes Peeling. Trotzdem genossen wir beim Mittagessen – ausnahmsweise im Bus, damit der Sand beim Kauen nicht zwischen den Zähnen knirscht – die fantastische Aussicht aufs tosende Meer, die herumwirbelnde Gischt und den wilden Tanz der Sandkörner am Strand.
Danach ging es weiter zum letzten Freedom Campingplatz vor Wellington, den wir uns nach unserer Mittagspauseerfahrung in einer etwas geschützteren Flussmündung suchten. Der Ort war wieder einmal wunderschön, aber die vier fürs Freedom Camping ausgezeichneten Plätze waren alle schon besetzt, als wir um halb sechs ankamen. Da ich aber wirklich von der Fahrt erschöpft war und ich auch keine Alternativen heraus gesucht hatte, parkten wir also neben den gekennzeichneten Flächen und hatten damit den schönsten Platz und die beste Aussicht. Allerdings war ich schon ein bisschen nervös, ob man uns hier eventuell nachts wegschicken oder einen Strafzettel geben würde. Erst einmal war es nun aber Zeit, uns die Beine zu vertreten und wir rannten dem Wind entgegen an der Flussmündung entlang zum Wasser. Dabei bewunderten wir die Muster, die der Wind und das Wasser in den Strand gegraben hatten. Als wir nach dem Strandspaziergang zurückkamen, standen auf der anderen Seite der vier offiziellen Parkplätze noch sechs andere Wohnmobile, was mich ein bisschen beruhigte, da wir dann zumindest nicht die einzigen Regelverstoßer waren. Ob die Anziehungskraft dieses Ortes an der sehr ungewöhnlichen und modernen Toilette lag, die, sobald man den Verriegelungsknopf drückte, erst mit einem sprach und dann Musik abspielte, oder an dem wunderschönen Sonnenuntergang, den wir beim Abendessen bewundern durften, ist schwer zu sagen, aber auf jeden Fall wurde in dieser Nacht niemand weggeschickt.
Gestern morgen stellte ich die Kinder dann vor die Wahl, ob wir nun direkt zu einem echten Campingplatz in Wellington fahren sollten, wo wir alle nach dem wilden Leben als Freedom Camper mal wieder duschen müssten oder ob wir ins nahe gelegene Hallenbad fahren wollten. Wie erwartet, entschieden sie sich für die zweite Option und so verbrachten wir fast drei Stunden in einem sehr sauberen und hellen Aquatic Centre. In so einem hatte ich vorher schon einmal für 3,50NZ$ die Möglichkeit genutzt, so lange warm duschen zu können, wie man will. Der Eintritt für uns drei war nur unwesentlich mehr, als wir für drei mal Duschen gezahlt hätten und Emma konnte endlich mal wieder ihre Schwimmliebe ausleben. Während ich schon nach wenigen Bahnen meinen Vorsatz verfluchte, einfach mal eine Stunde vor mich hinzuschwimmen, überrundete sie mich kraulend immer wieder, um dann zu sagen, dass sie jetzt mit dem Aufwärmen fertig sei. Sophie dagegen machte auf der Treppe zu der Röhrenrutsche wahrscheinlich mehr Höhenmeter als auf dem Weg nach Machu Picchu. Auch ich schaffte es aber, mein Vornehmen durchzuziehen, da nach ungefähr zwanzig Minuten ein Aquafitness-Kurs mit cooler Musik, einer hochmotivierten Trainerin und einem geschätzten Altersdurchschnitt der Teilnehmerinnen von über 80 stattfand, der sehr unterhaltsam war. Auch im warmen Nachbarbecken war beim Babyschwimmkurs viel los. Nachdem meine Stunde um war, entspannte ich mich noch mit ein paar Einheimischen im Whirlpool, während ich aus der Ferne Emma und Sophie beobachtete, die mit Schwimmbrettern Übungen aus ihrem Schwimmunterricht beim Bremer Schwimmverein nachmachten.
Ausgepowert, glücklich und vor allem sauber machten wir uns nach einem schnellen Mittagessen dann auf den Weg nach Wellington. Erst füllten wir bei unserem Lieblingssupermarkt namens „Countdown“ unsere Vorräte wieder auf, bei dem es nicht nur tolle Angebote, sondern auch Lego aus recyceltem Plastik an der Kasse gibt, auf das die Kinder ganz wild sind. Dann checkten wir auf einem echten Campingplatz ein, auf dem Pascal schon im strömenden Regen auf uns wartete. Hatte es bisher schon manchmal ein bisschen geregnet, war das doch unser erster richtig nasser Nachmittag und wir waren dankbar, dass es hier eine Küche, ein Esszimmer, ein Fernsehzimmer, ein Spielzimmer und vor allem einen Wäscheraum gibt, denn jetzt wo wir wieder sauber waren, musste es auch unserer dreckigen Wäsche an den Kragen gehen.
Als wir die Küche heute morgen nutzten, um statt unseres Porridgefrühstücks Pfannkuchen zu backen, tat sich der Himmel entgegen der guten Wettervorhersage noch einmal auf und wir können nur von Glück sagen, dass der damit einhergehende Donner uns gewarnt hat und ich noch rechtzeitig unser Dachfenster schließen konnte, denn sonst hätte sich unsere Jucy bei dem, was da vom Himmel kam, wohl in einen Pool verwandelt. Da heute aber auch unser einziger Tag in Wellington, was ja Neuseelands Hauptstadt ist, war, da wir morgen schon die Fähre zur Südinsel gebucht haben, wollten wir uns vom Regen nicht auf dem Campingplatz einsperren lassen. Stattdessen fuhren wir in die Innenstadt und besuchten das hervorragende, interaktive Te Papa-Museum, bei dem man unglaublich viel über Neuseelands Flora, Fauna und vor allem Geschichte lernt.
Während Pascal und Sophie sage und schreibe sechs Stunden das Museum unsicher machten, gingen Emma und ich ins Kino, um den schon lang ersehnten Film „Wakanda Forever“ anzuschauen… mit gefühlt allen anderen Einwohnern Wellingtons, denn der Kinosaal war der größte, den ich seit 20 Jahren, als ich genau hier bei der Premiere des zweiten Herr der Ringe-Films mit meinem Bruder war, gesehen habe und es war kaum ein Platz unbesetzt… und das mittags um zwei. Was mich besonders begeisterte, war nicht nur der reibungslose und schnelle Karten- und Popcornverkauf bei dieser Menge an Leuten, sondern auch, dass im Kinosaal niemand während des Films an seinen Handys daddelte, wie ich es bei meinem letzten Film in Deutschland beobachtet hatte. Interessant fanden Emma und ich auch, dass manche besonders emotionale Filmszenen mit einem kollektiven Seufzen oder sogar Klatschen quittiert wurden, in das wir bei so viel tiefgreifender Traurigkeit gepaart mit fulminanter Frauenpower natürlich einstimmten.
Als wir aus dem Kino kamen, strahlte die Sonne so hell und warm, dass wir uns unsere Sonnenbrillen, an die bei dem Wetter heute morgen echt niemand gedacht hat, herbei wünschten. So konnten wir aber wenigstens den Hafen Wellingtons noch in voller Pracht genießen, bevor es zum Abendessen zurück zum Campingplatz ging. Morgen heißt es nun schon Abschiednehmen von der Nordinsel, auf der wir vierzehn volle und vielseitige Tage verleben durften.