Glücksgefühle in der Golden Bay

Heute war es für mich Zeit, mal bekannte Wege zu verlassen, denn auf meinen bisherigen Reisen durch Neuseeland habe ich es auf der Südinsel noch nie nördlich des Abel Tasman Nationalparks geschafft, obwohl doch schon der Name „Golden Bay“ sehr einladend klingt. Schon auf dem Bergpass nach Takaka konnte ich nicht glauben, dass ich mir diese spektakuläre Landschaft aus dichten Wäldern, hellgrünen Hügeln und goldenen Stränden mit türkisblauem Wasser bisher habe entgehen lassen. Auf einem der höchsten Punkte hielten wir an, denn der aufziehende Nebel war ein unglaubliches Naturschauspiel, das ich lieber kurz im Stehen als beim Fahren der engen Kürvchen genießen wollte. Ob es nun Zufall oder Schicksal war, weiß ich nicht, aber keine drei Minuten später, während wir gerade diskutierten, ob wir die nahe gelegenen Ngarua Caves besuchen wollten, hielt ein riesiges Wohnmobil neben uns, das von einer sympathisch aussehenden hübschen blonden Frau gefahren wurde. Ihre Beifahrerin war ein junges ebenso hübsches Mädchen und das an sich war schon ungewöhnlich, denn bisher haben wir hier hauptsächlich Familien mit kleinen, noch nicht schulpflichtigen Kindern oder Rentner getroffen. Als dann hinten die Tür des Wohnmobils aufging und noch zwei weitere junge Mädchen bzw. Frauen ausstiegen, war ich schon sehr neugierig. Aber noch bevor ich die Mädelscrew ansprechen konnte, kamen sie mir zuvor und statt eines Höhlenbesuchs stand das sehr nette Kennenlernen mit Susi und ihren Töchtern an. Begeistert tauschten die Mädels Reisegeschichten und wir drei waren mehr als glücklich, als die anderen vier Mädels entschieden, mit uns zur Hack Farm zu kommen, wo wir uns morgens nach Ausrittmöglichkeiten erkundigt hatten. So fuhren wir also die nächste knappe Stunde im Konvoi durch die schöne Landschaft, über der der Nebel sich wieder gelichtet hatte und über der die Sonne mit uns um die Wette strahlte.

Auf der Hack Farm lernten wir dann die aus Hessen stammende Bärbl kennen, die genau im gleichen Dialekt und Tonfall spricht wie die Freundin meines Bruders, was sie uns sofort sympathisch gemacht hat. Bärbl hat sich mit ihrem Mann hier ein kleines Paradies mit 14 Pferden, einem Bauernhof, der einzigen Voltigiermannschaft Neuseelands und einem Naturcampingplatz aufgebaut, wovon sie Susi und mir begeistert und unterhaltsam erzählte, während unsere Töchter mit dem Hofhund das Gelände und den nahe gelegenen See erkundeten. Wahrhaft inspiriert haben wir dann für vier Uhr nachmittags einen gemeinsamen Strandritt mit ihr ausgemacht und nutzten die kurze Zeit dazwischen, etwas zu Mittag zu essen und uns bei einer Tasse Kaffee bzw. Tee ein bisschen besser kennenzulernen. Ob es nun am Namen Susi – denn schließlich ist meine Bremer Susi in den letzten Monaten mein täglicher Kummerkasten für alle Lebenslagen geworden, wofür ich ihr unendlich dankbar bin und ich möchte gar nicht wissen, wie viele Stunden Sprachnachrichten wir inzwischen ausgetauscht haben – oder an einigen Gemeinsamkeiten in unserem Lebensweg liegt, kann ich nicht sagen, aber Susi war mir sehr sehr sympathisch und Emma und Sophie waren ebenfalls total begeistert von ihren absolut reizenden Töchtern.

Um vier Uhr waren wir dann alle bereit für den Ausritt und als Bärbl von einem Sunset Ride sprach, war ich doch recht überrascht, da die Sonne hier erst um kurz nach acht untergeht, denn ich hatte ja keine Ahnung, dass die kommenden zwei Stunden, bis wir letzten Endes alle sieben im Sattel sitzen sollten, die, was das Reiten anbelangt, lehrreichsten meines Lebens sein würden. Da die anderen vier wenig oder keine Erfahrung mitbrachten, begann Bärbl erst theoretisch, die richtige Körperhaltung und die Bedeutung des Gleichgewichts und der Körperbeherrschung beim Reiten zu erklären und zu zeigen. Dann holten wir die Pferde, bereiteten sie in aller Ruhe vor, was für uns immer fast genauso schön ist wie das Reiten selbst und bekamen dann all das, was Bärbl uns theoretisch erklärt hatte, in der Praxis von ihr auf dem riesigen MacDuff, der später mein Reittier sein sollte und was mir als altem Shakespeare-Fan natürlich sehr gut gefiel, gezeigt.

Bis Bärbl uns allen das passende Pferd zugeteilt hatte, verging eine Weile, aber daran konnte man schon erkennen, mit wieviel Bedacht sie ihre Pferde behandelt und dass ihr das Glücksgefühl der Reiter und, wenn es so etwas gibt, der Pferde am Herzen liegt. Obwohl unsere Mitreiterinnen zum Großteil völlig unerfahren waren, konnte man gleich sehen, wie sportlich und mutig diese Familie ist, denn schon der Weg zum Strand war mit vielen steilen Stücken bergauf und bergab eine Herausforderung. Am Strand durften wir drei dann ein bisschen Gas geben und da die anderen Pferde ordentlich Respekt vor meinem gigantischen MacDuff, der aber eigentlich eher verlässlich und verfressen, als kühn und kämpferisch war, hatten, waren erst Emma und ich dran und durften nach Herzenslust den Strand entlang traben und galoppieren, während Bärbl uns unbezahlbare Tipps zur Körperhaltung gab und dann Emma und Sophie. Die beiden am Strand entlang traben zu sehen, gibt mir jedes Mal wieder ein unendliches Glücksgefühl.


Alle sieben Reiterinnen kamen stolz und glücklich zurück auf den Hof, wo erst noch die Ausrüstung aufgeräumt und die Pferde gefüttert und zur Weide gebracht werden mussten, bis wir uns um unsere eigenen, inzwischen wieder knurrenden Mägen kümmern konnten. Bärbl hatte uns altes Brot gegeben, dass sie vom Semmelknödel machen übrig hatte und so gab es auch für uns seit langer Zeit mal wieder Serviettenknödel mit frischer Petersilie aus dem Garten. Nach dem Abendessen war es schon so spät und wir so müde, dass die Kinder das Wohnmobil schon zum Schlafen umbauten, während ich spülte, und dass wir heute mal alle Abendrituale wir Vorlesen, Rückenmalen usw. ausfallen mussten.

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