Gestern Morgen bin ich nun tatsächlich nach einer sehr nassen Nacht, in der das Dachfenster unserer kleinen Jucy den Wassermassen nicht mehr ganz standgehalten hat und es stetig reinströmte, um 5.40 Uhr, als es tatsächlich das erste Mal seit gefühlt ewigen Zeiten trocken war, zum Lake Matheson losgedüst. Der Himmel war schon rosa und frohen Mutes bin ich vom Parkplatz zum 2 Kilometer entfernten Aussichtspunkt losgestapft, von dem aus man einen schönen Blick auf die Berge hätte haben sollen, die sich dann an einem windstillen und trockenen Tag zum Sonnenaufgang besonders schön im See hätten spiegeln sollen. Der Weg war wunderschön und wieder einmal erinnerte mich die Umgebung an einen verwunschenen Wald. Als ich dann zwanzig Minuten später aus dem Schutz der Bäume trat, klatschten mir schon wieder Regentropfen auf die Kapuze und auch wenn der Blick mystisch und beeindruckend war, hatte er nichts mit dem Bild auf der Aussichtsplattform gemein, auf dem die verschiedenen Gipfel beschriftet und gespiegelt waren. Trotzdem war es ein schöner Morgenspaziergang und während ich noch überlegte, ob ich nun doch gleich den See umrunden sollte, hörte ich das erste Donnergrollen aus der Ferne. Also kehrte ich doch lieber um und legte beim Laufen schon einmal eine schnellere Gangart ein und schaffte es trotzdem nicht zurück ins Wohnmobil, bevor ich ziemlich durchnässt war. Bei strömendem Regen und mit dem Scheibenwischer auf höchster Stufe kam ich zurück am Campingplatz an und entschloss mich, die nassen Schuhe unter dem Lenkrad stehen zu lassen und krabbelte über die Sitze noch einmal nach hinten in das umgemachte Bett, um mich aufzuwärmen.
Das funktionierte später unter der warmen Dusche noch besser. Danach war es Zeit, die Kinder zu wecken, die gestern extra früher ins Bett gegangen sind, um jetzt morgens mal wieder mit den Münchner Cousinen telefonieren zu können. Das ist bei zwölf Stunden Zeitunterschied immer gar nicht so leicht. Diesmal hat es aber geklappt und während ich das Porridge anrührte, wurde im Essensraum fleißig gekichert, gelacht und geschrien. Die einzigen anderen Frühaufsteher waren eine siebenköpfige Großfamilie aus Singapur, bei denen ich mich schon wegen des Lärms entschuldigen wollte, die aber begeistert dem Spektakel zuschauten, da der Fernseher immer wieder im Standbildmodus hängen blieb… vielleicht wegen des gruseligen Sturms, der inzwischen draußen tobte? Die Oma der Familie, die neben mir Nudelsuppe zum Frühstück vorbereitete, erzählte mir, dass sie erst den dritten Tag in Neuseeland wären und dass sie bisher noch nichts wegen des Wetters machen konnten und auch der geplante Helikopterflug auf den Gletscher ins Wasser fallen würde. Da wurde mir bewusst, wie viel Glück wir eigentlich in den ersten drei Wochen mit dem Wetter hatten und dass wir ja den Vorteil haben, flexibel reagieren zu können. Deswegen haben wir uns nach dem Frühstück, ganz ohne eine Gletscherwanderung oder auch nur einen Blick auf einen der Gletscher erhascht zu haben, auf den Weg in die Berge gemacht.
Heute war ich einmal mehr dankbar, dass Emma schon so groß ist, denn ich durfte für die Fahrt ihr zweites Paar Schuhe statt meiner nassen anziehen. Erst ging es dann noch anderthalb Stunden an der wilden Westküste entlang nach Süden und tatsächlich hatten wir das Glück, die Dünen von Haast nur mit Wind und ohne Regen erklettern zu können und auf die riesigen Wellenberge zu schauen. Sophies Hunger, der uns zurück zum Wohnmobil für einen Mitragssnack trieb, bewahrte uns dann vor dem nächsten heftigen Regenschauer, bei dem es nun aber zur Schiebetür der Jucy hereinregnete. Deswegen krabbelten wir diesmal alle drei wieder gut gesättigt auf die vordere Sitzbank und versuchten, auf der Weiterfahrt ins Landesinnere, dem Regen zu entfliehen. Das klappte tatsächlich und während die leicht lecke Jucy sich die Berge hochquälte, staunten wir über die sich verändernde Landschaft und die vielen Wasserfälle, die neben der Straße ins Tal klatschten. Auf den Fahrten haben wir schon viele interessante Gespräche gehabt, aber heute fragte Sophie nach dem Unterschied verschiedener Religionen und da begann Emma nun, ihr ganzes Wissen aus fünf Jahren Religionsunterricht auszupacken. Zwischenzeitlich durfte auch ich etwas einwerfen und so verging die Fahrt mit Martin Luther, Buddha und Mohammed im Gepäck wie im Flug. Zwischendurch mussten wir an mehreren „Look outs“ anhalten und den Ausblick und tatsächlich auch die Sonne genießen.
In unserem Tagesziel Wanaka ging es dann erstmal wieder zum Einkaufen, bevor wir Pascal am Campingplatz wieder trafen, wo er den letzten Platz ergattert hatte. Das hatten wir noch nirgendwo erlebt und ich war auch sehr überrascht, da Wanaka früher immer wie die kleine, etwas ungeliebtere kleine Schwester Queenstowns war. Ein Blick in den Reiseführer und ins Internet zeigte mir dann aber, dass ein kleiner Baum, der dem Anschein nach direkt aus dem See Wanakas zu wachsen scheint, Heerscharen von fotowütigen Möchtegern-Influencern anlockt, die wohl tatsächlich nicht wegen der atemberaubend schönen Berglandschaft, sondern wegen dieses Baums kommen. Nach einem sehr leckeren Abendessen mit Lammkoteletts, die hier günstiger als Schweinesteaks sind, mit Kartoffelbrei und Bohnen sind wir dann also losgezogen, uns diesen Baum aus der Nähe anzusehen und tatsächlich hatte der Reiseführer mal wieder recht, denn die Massen mit Stativ ausgestatteter Fotowütiger war tatsächlich die größere Sehenswürdigkeit als der Baum selbst. Überraschender Weise waren die Fotografen aber keine Leuchtring und Goldtäschchen tragenden, überschminkten Zwanzigjährigen, sondern viele gestandene, beim über die Kamera bücken die Unterhose zeigende ältere Männer.
Während Emma sich von den vielen Fotografen inspiriert mein Handy schnappte, um Fotos zu machen, suchte sich Sophie lieber einen großen Ast und spielte selbst am Seeufer Baum, was ich wegen der vielen empörten Fotografen, denen sie dabei das Bild vermasselte, ein bisschen witzig fand.