Panikattacke in Sydney

Gestern war nun der Abschied von Neuseeland angesagt, das auch den Kindern genau wie mir ganz schön ans Herz gewachsen ist. Ein letztes Mal bin ich zum Sonnenaufgang aufgestanden und am North Beach von Christchurch entlang gelaufen, bevor ich mich noch einmal zu den Mädels ins Wohnmobil gekuschelt habe. Nach einem letzen Frühstück, wobei wir die Reste der Marmelade, des Honigs und der Erdnussbutter verspeist haben, mussten wir zum ersten Mal seit einem Monat wieder die Rucksäcke packen und obwohl wir in Chile ja die Hälfte unserer Wäsche vergessen haben, sind sie durch Barbies, Bücher und Lego wieder gut gefüllt. Diesmal haben wir nicht unsere Sachen einzeln in unsere jeweiligen Rucksäcke gepackt, sondern in Emmas und Sophies Rucksäcken stecken nun alle Sachen, die wir für die vier Tage in Cairns und im Great Barrier Reef brauchen, also Badesachen, Handtücher und alle luftig-leichten Klamotten. In meinem dagegen steckt alles andere und der bricht fast aus allen Nähten. 

So umgepackt haben wir dann Pascal abgeholt und haben gemeinsam unsere Jucy abgeliefert, wo ich wieder einmal unverschämtes Glück hatte, denn als ich am Schalter von meiner ungeschickten Begegnung mit dem gelben Poller erzählte, mischte sich die Putzfrau, die gerade unter dem Schalter den Mülleimer leerte, ein und empfahl mir, mal mit dem Radierschwamm, den sie mir hinhielt, zu probieren, ob ich die Farbe nicht wegkriegen könnte. Mit meinem normalen Schwamm hatte ich das vorher schon ohne Erfolg probiert, aber einen Versuch war es ja wert. Meine ersten Versuche waren allerdings vergeblich und ich wollte schon aufgeben, als Pascal, den wir ja nicht umsonst immer den Saubermann der Familie genannt haben, den Schwamm schnappte und es doch tatsächlich schaffte, die komplette gelbe Farbe mit viel Kraft und noch einem zweiten Schwamm, den uns die heldenhafte Putzfrau zur Verfügung stellte, wegzuradieren. Nun sah man an der Schiebetür gar nichts mehr und in der Seite dahinter nur noch eine kleine Delle, die bei den vielen anderen, die das Büschen schon bei unserer Übernahme hatte, gar nicht so sehr auffiel.

Erleichtert sagten wir der Jucy „Tschüß“ und auch „Danke“ für die tolle Zeit und ließen uns von einem anderen grünen Jucy-Bus zum Flughafen fahren, der hier in Christchurch mit vielen Liegeflächen, einem Riesenschach und einer sehr angenehmen Atmosphäre unsere Hoffnung steigen ließ, dass es vielleicht in Sydney, wo wir ja wieder mal vorhatten, die Nacht bzw. die neun Stunden zwischen unseren Flügen zu verbringen und so die Übernachtungs- und Transportkosten zu sparen, genauso wäre… aber leider wird selbst unsere Hoffnung manchmal enttäuscht, denn irgendwie stand unsere Einreise nach Australien von Anfang an unter keinem guten Stern.

Erst wurde unser schon vor Monaten gebuchter Direktflug von Christchurch nach Sydney gecancelt und Opodo, wo wir den Flug gebucht hatten, vertröstete uns, dass sie sich kümmern würden. Da es aber quasi unmöglich ist, bei Opodo irgendjemanden außer eines recht minderbemittelten automatischen Online-Antwortsystems zu erreichen, habe ich vor etwa zwei Wochen die einzig noch mögliche Verbindung am 1. Dezember gebucht, die leider einen Zwischenstopp an der Gold Coast hatte, wodurch wir nun zum ersten Mal entgegen unseres Vorsatzes Zick-Zack fliegen mussten. Der nächste Schreck ging zwar voll auf unsere Kappe, aber war im ersten Moment trotzdem schwer zu verdauen, denn uns ist vorgestern auf der Fahrt nach Christchurch aufgefallen, dass wir vergessen hatten, ein Visum für Australien zu beantragen. Während ich fuhr, sagte Pascals erste Google-Suche, dass der Antrag eine Bearbeitungszeit von 20 Tagen hatte und ich sah vor meinem inneren Auge schon unsere Segeltour im Great Barrier Reef und unseren Road-Trip im Wohnmobil ins Wasser fallen. Nachdem ich einen Parkplatz gefunden hatte, googelte ich dann aber selbst mal nach einem Online-Visum und fand tatsächlich eine Seite, die eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 24 Stunden hatte. Das war zwar immer noch knapp, aber ich stellte mich schon darauf ein, bei der Einreise einfach sehr auf die Tränendrüse drücken zu müssen. Also beantragten Pascal und ich parallel jeweils das eigene Visum und jeweils noch eins für Emma und Sophie und kaum eine halbe Stunde später sank der Adrenalinspiegel wieder, als die e-Visas in unseren Posteingängen eintrudelten. Eigentlich finde ich, dass es damit genug Aufregung hätte sein müssen, aber man kann halt nicht immer Glück haben. An der Gold Coast kamen wir im strömenden Regen an und unser nächster Flug hatte Verspätung, sodass wir entgegen aller Erwartungen in unseren ersten Stunden in Australien ziemlich froren. In Sydney gab es dann im Gegensatz zu Christchurch keine bequemen Sitzmöglichkeiten, Teppiche und Liegen, sondern einen ungemütlichen gefliesten Boden und die unbequemsten Stühle mit Metalllehnen zwischen jedem Sitz, die man sich vorstellen kann, damit man sich auch auf keinen Fall hinlegen konnte. Die Kinder hatten sich schon stoisch auf eine ungemütliche Nacht eingestellt, als wir doch tatsächlich aus dem Flughafen geschmissen wurden, was weder bei den Informationen im Internet ersichtlich war noch bei so einer großen Stadt wie Sydney zu vermuten gewesen wäre. Kurz nach Mitternacht – in neuseeländischer Zeit, wo unser Biorhythmus ja noch hing, bereits kurz nach zwei Uhr morgens – suchten wir uns dann online also ein nahe gelegenes und leider gar nicht mit unserem Budget vereinbares Hotel und nahmen auch noch die Taxifahrt für 40 australische Dollar für zwei Kilometer in Kauf, die wir mit der Gepäckmenge und der Müdigkeit der Kinder definitiv nicht mehr zu Fuß geschafft hätten. Unser ursprünglicher Plan war es, unsere großen Gepäckstücke am Flughafen in Sydney einzulagern, aber da wir hofften, uns in dieser kurzen Nacht Zeit zu sparen, fragten wir im Hotel nach einer Möglichkeit und wurden von einem Möchtegern-John Travolta an der Rezeption so schroff und unverschämt abgewimmelt, dass die Kinder feststellten, dass die Australier auf den ersten Blick ganz anders wären als die Neuseeländer. Kurz vorm Einschlafen versicherte ich mich noch einmal in der Opodo-App, dass unser nächster Flug auch wirklich um 8.45 Uhr ging und stellte den Wecker auf sechs Uhr, sodass wir alle zumindest noch fünf Stunden Schlaf bekämen. Heute Morgen mussten wir dann erst viel länger als gedacht auf ein Taxi warten und dann herausfinden, dass wir noch einen Terminalbus nehmen mussten. Als ich da dann auf die Boardingpässe schaute, die Virgin Australia mir per Email geschickt hatte, bekam ich zum ersten Mal auf dieser Reise eine echte Panikattacke und konnte meinem Mantra, dass alles schon irgendwie gut gehen würde, nicht mehr treu sein, denn darauf stand, dass der Flug auf 7.50 Uhr vorverlegt war, dass das Boarding um 7.25 Uhr sei und die Uhr zeigte da schon 7.18 Uhr. Der Bus rollte nun definitiv langsamer von einem Terminal zum anderen als meine Tränen die Wangen runter, weil ich im Kopf mal ausrechnete, was uns dieses Versehen meinerseits kosten würde… Hin- und Rückflug nach Cairns, Segeltörn mit Tauchgängen und Vollpension, zusätzliche Übernachtungen in Sydney und mir wurde ganz schlecht. Der Kinder zuliebe zwang ich mich, nicht völlig durchzudrehen und redete mir selbst ein, dass wir ja bisher immer Glück hatten und dass es ja nur Geld wäre… Offensichtlich sah man mir meine Panik aber an und alle Leute am Flughafen waren sehr zuvorkommend. Mit unseren insgesamt fast 70 kg Gepäck rannten wir zum Schalter und alle Leute machten uns netterweise sofort den Weg frei. Der Mann am Schalter schickte uns dann zum Service Desk, weil es keine Chance gab, diesen Flug noch zu bekommen. Die Frau am Schalter fragte uns, warum wir so spät dran seien und Opodo wirkte hier wie ein Zauberwort, da wir wohl an diesem Morgen schon die fünften waren, die durch eine Fehlinformation von Opodo den Flug verpasst hatten. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder Mehrkosten zu verlangen, buchte die Frau uns auf den Flug um zwölf Uhr um und ich glaube, den Stein, der mir in diesem Moment vom Herzen fiel, konnte man bis nach Deutschland hören.

Das gab uns nicht nur Zeit, wie geplant unser Gepäck am Flughafen einzulagern, um nur mit Handgepäck zu fliegen, sondern auch in aller Ruhe zu frühstücken und uns ein bisschen zu entspannen. Als wir dann im doppelten Sinn erleichtert durch die Duty Free Geschäfte schlenderten, sagte Sophie zu mir, dass sie sich keine Sorgen gemacht hätte, da sie auf dieser Reise schon gelernt hat, dass es immer für alles eine Lösung gibt und dass wir doch alles schaffen würden. Bei so viel Vertrauen hatte ich gleich nochmal Tränen in den Augen und ich hoffe sehr, dass Sophie hier recht behält. Jetzt sitzen wir auf jeden Fall im Flieger nach Cairns und bereiten uns auf das tropische Klima vor.

Ein Gedanke zu „Panikattacke in Sydney“

  1. Oh man! Das war ja ein holprigen Start in Australien! Aber wie Sophie sagt, schafft ihr das alles! Ich wünsche Euch viel Spaß bei Eurem Segeltrip!

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