Mit roten Köpfen kamen wir um 6.15 Uhr und keine Minute früher im Tauchladen an und schauten in sehr verdutzte Gesichter der Mitarbeiter, als wir fragten, ob sie uns direkt mitnehmen würden. Tatsächlich hatten sie noch Kapazitäten und als sie von der kurzfristigen Absage hörten, waren sie super nett, statteten uns mit der passenden Ausrüstung aus, schoben uns ins Minibüschen und bereits um 7.00 Uhr saßen wir an Bord eines Bootes, das zwar keine Segel, aber dafür eine hervorragende Tauchausrüstung hatte. Nach einer sehr amüsanten Begrüßungsrede des neuseeländischen Kapitäns, der aber irgendwie mehr einem Piraten ähnelte, ging es los und wir fingen an, die 19 anderen Gäste und die fünfköpfige Crew besser kennenzulernen. Insgesamt teilte sich die Gruppe in elf Leute auf, die auf dem Boot ihren Open-Water-Tauchschein und zwei Leute, die schon den dritten Kurs zum Rettungstaucher machen würden, drei Divemaster und drei Tieftaucher… und uns! Schnell wurde klar, dass Schnorchler wie Sophie und ich auf diesem Boot den totalen Raritätenstatus haben und irgendwie auch nur unter „ferner liefen“ laufen. Auf dem anderen Boot hätte es auch noch ein Kayak oder ein SUP gegeben und bei den tiefgründigen Tauchvorgesprächen fragte ich mich kurz, ob die Entscheidung, nun drei Tage mit besessenen „Bubble Blowern“, wie der Kapitän die Flaschentaucher nannte, zu verbringen, für Sophie und mich zur Qual werden könnte? Emma dagegen war im Himmel und Pascal ließ sich nur einen der elf möglichen Tauchgänge entgehen, weil er einmal mit Sophie Schnorcheln war.
Aber auch hier hat uns mal wieder ein Sprichwort weitergeholfen: „If you can‘t beat them, join them!“ Denn schon nach unserem ersten Schnorchelausflug am frühen Nachmittag, teilten Sophie und ich die Unterwasserbegeisterung der Taucher. Sophie erzählte enthusiastisch allen von den Fischen, die sie gesehen hatte und füllte eine ganze Seite im lang vernachlässigten Tagebuch mit den schwierigen englischen Namen all dieser Fischarten. Auch für mich war das eine ganz besondere Tour, denn am zweiten Tag konnte ich mit Hilfe der unglaublichen Lucy, eine der Tauchlehrerinnen mit knapp 5000 Tauchgängen Erfahrung, meine fast 20 Jahre alte Angst vor dem Tauchen überwinden. Lucy nahm mich mit ins Wasser und plötzlich war ich gar nicht mehr nervös. Zwischen Emma und Lucy ging es auf 12 Meter Tiefe und schon beim Abtauchen sahen wir zu Emmas Freude und meinem Schrecken direkt einen Riffhai, der in kaum einem Meter Entfernung einmal um uns kreiste und dann friedlich davon schwamm. Als ich Emmas Grinsen hinter der Maske und Lucys freudiges Klatschen sah, verstand ich, dass das wohl eine gute Sache war. Keine zwei Meter weiter trafen wir auf eine sehr süße Schildkröte, die neben uns her schwamm. Und so ging es auf diesem vierzigminütigem Tauchgang weiter. Es verging kaum ein Augenblick, in dem Lucy uns nicht aufgeregt etwas zeigte und zurück auf dem Boot, als wir wieder mit Worten statt mit Handzeichen kommunizieren konnten, bestätigte sie meinen Verdacht, dass das nicht normal gewesen wäre und dass wir unglaubliches Glück gehabt hätten, bei einem Tauchgang nicht nur einen Hai, zwei Cuddle Fish und drei Schildkröten zu treffen, sondern auch noch eine sehr große Muräne, einen riesigen Bumphead Fish, einen Triggerfish und viele Fischschwärme, deren Namen ich vergessen habe. Dieses Glück verstand ich als Zeichen, dass mein Mut belohnt worden war und ab diesem Moment machte ich jeden Tauchgang mit, bei dem Sophie keine Lust zum Schnorcheln hatte, weil sie lieber mit der 22-Jährigen Schiffsköchin Akira, die deutsche Wurzeln hat, quatschen wollte.
Neben der unglaublichen Erkundung des Riffs fand ich aber vor allem auch das Kennenlernen der Gruppenmitglieder schön, die, was Nationalität, Alter und Hintergrund angeht, nicht bunt gemischter hätte sein können. Der auffallendste Charakter war hierbei sicher der Meeresbiologe Kevin, der offen dazu steht, sich auf dem Spektrum für Asperger zu befinden und der seine Leidenschaft für die Unterwasserwelt zum Beruf gemacht hat und sein Wissen immer gern geteilt hat. Emma hat sich mit der zwanzigjährigen Sarah aus der Schweiz angefreundet, Sophie neben Akira auch noch mit der zweiundzwanzigjährigen Naira aus dem Saarland, Pascal mit dem Kapitän aus Neuseeland und ich habe sehr tiefgründige Gespräche mit Monika aus Polen, Margot aus Frankreich und Chelsey aus Australien geführt. Sogar an meinem Spanisch konnte ich wieder ein bisschen mit Pablo aus Kolumbien und Javier aus Spanien arbeiten. Nach drei Tagen gemeinsam auf dem Boot sind wir als Gruppe alle toll zusammen gewachsen und der Abschied fiel allen schwer. Umso schöner war es, dass der Kapitän noch einmal alle, die noch Zeit hatten und nicht zu erschöpft waren, zu einem Treffen in der Pier Bar am Hafen ab 19.00 Uhr einlud. Der immer alles wissende Kevin informierte uns aber, dass es sich lohnen würde, schon früher zu kommen, da von 17.00 bis 19.00 Uhr Happy Hour wäre,
Salzverkrustet und verschwitzt ließen wir uns nun aber erst einmal zu dem Hotel bringen, das ich ganz schnell bei der Ankunft im Hafen noch gebucht hatte. Beim Einchecken musste ich dann feststellen, dass ich in geistiger Umnachtung oder mit dem Hirn noch im Riff die Nacht vom 5. auf den 6. Januar gebucht hatte. Glücklicherweise konnte ich das aber wieder stornieren und sie hatten genau das gleiche Zimmer zu den gleichen Konditionen auch noch für diese Nacht. Nach einer ausgiebigen Dusche verabschiedete ich mich von den Kindern und Pascal, die ihren letzten gemeinsamen Abend in Australien lieber am Hotelpool und dem Hotelrestaurant verbrachten und machte mich auf den fünf Kilometer langen Weg zurück zum Hafen. Das Laufen tat mir richtig gut und ich konnte dem Kapitän nur zustimmen, dass man schon nach drei Tagen, nach denen man gerade seine „Sea legs“ gefunden hat, zurück an Land dann unter „Land legs“ leiden würde und sich oft nur leicht schwankend fortbewegen konnte. Der Großteil des Weges ging aber am Meer auf der „Esplanade“ entlang und einmal mehr konnte ich über die total gechillte Atmosphäre dieser australischen Stadt staunen, die ja wortwörtlich zwischen Riff und Regenwald liegt. Dementsprechend zwitscherten um mich herum auch die ausgefallensten Vögel und am Ufer des Meeres stand ein Schild, dass man hier wegen der Krokodile!!! nicht schwimmen dürfte.
Als ich um halb sieben in der Pier Bar ankam, war schon die Hälfte der Mannschaft versammelt und ein sehr lustiger, feuchtfröhlicher Abend begann. Gegen zehn ging es weiter in den Salt Club, wo montags immer Industry Night ist, was bedeutet, dass fast alle Gäste auf Booten arbeiten oder Gäste auf so einem Boot waren. Der Schnaps war billig, die Musik war gut und wie auch in den Zeiten, als ich noch regelmäßig ausgegangen bin, ist das eine Garantie für eine super Stimmung. Was mich wieder, wie bei meinem ersten Trip durch Australien begeistert hat, war, dass man hier wirklich rumlaufen kann, wie man will, auch wenn der Club eher schick war. Die eine Hälfte der Gäste trug Flip-Flops, die andere Birkenstocks und trotz vieler sexy Kleidchen gab es quasi keine Highheels und dementsprechend wild wurde auch getanzt. So einen tollen Abend hatte ich lange nicht und ich werde von den Erlebnissen und neuen Bekanntschaftennoch lange zehren. Als ich meine Füße müde getanzt hatte, wollte ich ein Uber bestellen, aber leider funktionierte die App nicht. Also lief ich zu einem 24/7-Laden, kaufte den Kindern noch etwas, das ich ihnen in den Schuh oder vielleicht auch in den Flip Flop stecken konnte und fragte nach einem Taxi. Der nette Ladenbesitzer aus Bangladesch brachte mich bis zum Taxistand, wo aber leider weit und breit kein Taxi zu sehen war. Als ich schon überlegte, ob ich die fünf Kilometer nach Hause laufen sollte, kam ein Taxi in weiter Ferne an, lud Passagiere aus und schaltete dann zu meinem Schrecken tatsächlich das Licht aus. Als ich den Fahrer aus Nigeria fragte, ob er mich noch fahren könnte, wimmelte er mich erst ab, da er sein Bezahlsystem, schon herunter gefahren hatte. Als ich ihm einen Schokonikolaus anbot, ließ er sich dann doch erweichen, brachte mich umsonst zurück zum Hotel und wollte dann auch nicht mal die vereinbarte Bezahlung, da er den Kindern die Schokolade nicht wegessen wollte, die ich dann schnell ins klimatisierte Zimmer brachte und in die Schuhe steckte, damit sie nicht noch schmolz.
Die Kinder, die gar nicht mehr an Nikolaus gedacht hatten, freuten sich sehr und aßen ausnahmsweise gleich zum Frühstück Schokolade, um sie vor dem Schmelzen zu bewahren.