Anfängerfehler in Bangkok

Sophie ist seit Jahren ein leidenschaftlicher Fan der Topmodelbücher, in denen man seine eigenen Designs und Ideen für Kleider auf sehr dünn vorgezeichnete Models malen kann und hat dementsprechend zuhause hunderte von Kleiderideen in diesen Heftchen gesammelt. Diese Leidenschaft hat sie auch auf der Reise nicht verloren und hat neben dem kleinen Modelbuch, das sie zu Weihnachten bekommen hat, auch ein Spiel auf dem IPad, in dem es darum geht, Outfits zusammenzustellen. Deswegen hatte Emma die Idee, dass ich ihr zum Geburtstag schenken könnte, dass sie eins ihrer Designs in Bangkok nähen lassen könnte. Diese Idee fand ich spitze und so wollten wir heute, an unserem ersten vollen Tag in Bangkok einen Schneider suchen, der das wahr machen könnte. Sowohl im Internet als auch bei Freunden meiner Schwester, die länger in Bangkok gelebt haben, war die Frage nach Schneidern, die sich auf Kleidchen und nicht Business-Suites spezialisierten, aber unbeantwortet geblieben. An der Rezeption unserer Hotels empfahl man uns, es im MBK, dem größten Shopping-Center Thailands zu versuchen. Also zogen wir nach dem Frühstück mit der Erklärung, welche Busse wir am besten nehmen könnten, los. Sophie wollte aber lieber mal mit einem der bunten Tuktuks fahren und als uns direkt am Kanal, an dem wir wohnen, ein Fahrer ansprach und sich auch, während die Touristenpolizei langsam vorbeifuhr und ihn bei heruntergekurbeltem Fenster drohend ansah, schnell von 300 auf 100 Baht herunter handeln ließ, was im Reiseführer als angemessener Taxipreis von Banglamphu zum MBK stand, stiegen wir zuversichtlich ein und genossen die Fahrt bis zur ersten Kreuzung, wo dann das große Betteln begann, ob wir nicht doch erst noch bei einem anderen Geschäft anhalten könnten … nur fünf Minuten, damit er seinen Stempel bekäme. Da ich diese Masche noch von vor 20 Jahren kannte und sie auch als häufigster Scam im Reiseführer stand, blieb ich hart und sagte, dass wir nur bezahlen würden, wenn er uns direkt zum MBK brächte. Da hielt er tatsächlich an der nächsten Ecke an und schmiss uns raus. Das hatte ich tatsächlich nicht erwartet und leider war nicht nur mein Hirn ein bisschen von der Hitze benebelt, sondern auch mein Handy und das letzte, das ich sehen konnte, bevor es den Geist aufgab, war, dass es noch 50 Minuten zu Fuß zum MBK wären. Also liefen wir los und nahmen uns vor, nur noch in ein offizielles Taxi zu steigen. Leider waren die aber alle schon besetzt und deswegen stiefelten wir weiter in die grobe Richtung, in der das Shoppingcentre liegen musste. Nach etwa zehn Minuten, die uns schon ordentlich ins Schwitzen gebracht haben, sprach uns ein Mann auf der Straße an und nach der Erfahrung im Tuktuk war ich schon sehr vorsichtig. Er erzählte, dass er Geschichtslehrer sei und dass er hier gegenüber in der High School arbeitete, dass er heute aber frei hatte, da ein ganz besonders wichtiger buddhistischer Feiertag wäre, dass er sich immer freut, wenn er mit Touristen ins Gespräch käme und fragte, was wir denn vor hätten. Als wir sagten, dass wir auf dem Weg zum MBK wären, sagte er, dass wir den heutigen besonderen Tag doch besser anders nutzen sollten, da der Eintritt in die Tempel umsonst wäre und es für Touristen auf alle Buchungen 20% Rabatt beim Touristeninformationsbüro gäbe. Obwohl genau solche Geschichten als zweithäufigster Scam im Reiseführer genannt wurden, ließ ich ihn erstmal reden, denn er war tatsächlich sehr freundlich und hatte ja noch nicht versucht, uns etwas anzuquatschen. Eifrig zückte er ein Notizbuch, riss eine Seite heraus und fing an, uns einen Zeitplan aufzuschreiben. Erst sollten wir zum stehenden Buddha, dann zum schwarzen Buddha, dann zum Touristeninformationsbüro, dann zum Mittagessen zum Fluss und erst nach einer Bootstour zum MBK, was heute angeblich wegen der Feierlichkeiten erst um vier Uhr aufmachte. Dann erklärte er uns, dass wir nie in die „bösen“ Tuktuks einsteigen dürften, sondern nur in die von der Regierung genehmigten mit blauer Stoßstange und dass wir zu dritt nicht mehr als 50 Baht bezahlen dürften. Daraufhin winkte er ein solches Tuktuk herbei, zeigte dem Fahrer seinen Plan und handelte aus, dass er uns den ganzen Tag für diesen Preis herumfahren würde. Nach wie vor weiß ich nicht, ob dieser Lehrer nun unser Retter in der Not oder ein Schwindler war, aber da für ihn ja nichts dabei heraussprang, tendiere ich zu erstem.

Entgegen meines vorherigen Vorsatzes ging es nun also mit dem Tuktuk zu den ersten drei vorgeschlagenen Stationen. Der stehende Buddha beeindruckte mit seiner Größe und dort kamen wir mit einer sehr netten österreichischen Familie ins Gespräch, die für einen Monat in Thailand unterwegs sind. Dann ging es zum schwarzen Buddha, wo ein sehr netter Tempelaufseher die Geschichte mit dem Feiertag bestätigte. Im Touristeninformationsbüro gab es tatsächlich 20 Prozent Rabatt, sogar auf die Zugtickets nach Chiang Mai, wo wir ja als nächstes hinwollten. Dummerweise hatte ich aber meine Kreditkarte im Hotel vergessen. Nach einem kurzen Gespräch zwischen unserem Fahrer und dem Angestellten des Touristeninformationsbüros fuhr er uns also auch noch schnell zurück ins Hotel, damit wir die Tour in den Norden buchen konnten. Während der Mann dann also unsere Tickets buchte, fragte ich ihn noch einmal, ob er einen Schneider kennen würde, der Sophie ein Kleid schneidern könnte. Da gab er unserem Fahrer weitere Instruktionen. Also war unser nächster Stopp außerplanmäßig eine riesengroße Schneiderei. Dort sahen sich die Verkäufer begeistert Sophies Entwürfe an, zeigten uns Stoffe und dann aber einen so exorbitanten Preis, über den sie ungewöhnlicher Weise auch nicht verhandeln wollten, dass wir unser Glück doch erst noch einmal im MBK versuchen wollten. Nächster Stopp war der Fluss, wo uns aber eine zweistündige Flusstour angeboten wurde, auf die wir in dem Moment gar keine Lust hatten und die mir auch viel zu teuer vorkam. Inzwischen hatten wir auch alle ganz schön Hunger, sodass wir den Fahrer fragten, ob er uns irgendwo zum Essen hinfahren könnte. Als wir dann in einem recht großen, aber ungemütlichen Restaurant saßen, beschlossen wir, dass uns diese Art von Fremdbestimmung nun erstmal reichte und dass wir erstens lieber auf der Straße essen wollten und zweitens eine Pause brauchten. Also zahlten wir unserem verdutzten Fahrer den vereinbarten Preis, verließen das Restaurant und suchten uns an der Straße was zu essen.

Danach machten wir im Hotel eine Mittagspause, in der die Mädels weiter Kleidchen designten und ich mal kurz die Augen zumachte, denn irgendwie steckt mir die Nacht am Flughafen deutlich mehr in den Knochen als den Mädels… ich glaube, ich werde alt. Nach der Mittagspause zogen wir genau wie heute Morgen los zum MBK. Diesmal wollten wir wirklich einen Bus nehmen, sahen auch viele Busse mit der richtigen Nummer vorbeifahren, konnten aber selbst mir der Hilfe von Google Maps die Bushaltestelle für diese Nummer nicht finden und die Busse ließen sich leider nicht wie in den Philippinen einfach heranwinken. Also stiegen wir doch in ein Taxi und nutzten die Zeit für einen Geburtstagsanruf bei meiner Freundin.

Das achtstöckige Gewusel, das sich MBK nennt, erschlug uns im ersten Moment und wir wussten gar nicht, wo wir mit der Suche nach dem Schneider anfangen sollten. Leider stellte sich recht schnell heraus, dass auch hier fast alle auf Anzüge spezialisiert waren und uns den Rat gaben, doch lieber Kleider von der Stange zu kaufen. Diesen Rat nahmen wir ein bisschen gedankenverloren, aber begeistert an, denn eigentlich hatten wir vor gehabt, erst am Ende unserer Thailandreise richtig zu shoppen, da wir die Sachen ja nun noch schleppen müssen. Wenn der Kaufrausch aber erstmal zuschlägt, gibt es kein Halten mehr und nach den vielen Umwegen bis hierher, brauchten wir dringend ein Erfolgserlebnis und so kehrten wir abends um halb zehn glücklich mit einigen Tüten bepackt zurück ins Hotel. Was für ein voller und aufregender Tag, der mich gelehrt hat, dass man in Bangkok vielleicht besser gar nicht so viel planen sollte, denn es kommt eh anders, als man denkt.

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