Tausend(?) tolle Tempel

Wie auch den letzten Blogeintrag verfasse ich diesen wieder schlaflos im Nachtzug, diesmal aber von Luxor zurück nach Cairo. Die letzten fünf Tage waren so voll, dass kaum Zeit zum Schreiben bzw. zum Durchatmen war. Angefangen hat es mit dem Philae-Tempel in Assuan. Auf dem Weg dorthin haben wir uns bereits den riesigen in den 60er Jahren gebauten Staudamm angesehen, dessen Zusammensetzung aus russischer Ingenieursleistung und amerikanischen Turbinen kein Zeichen internationaler Verständigung, sondern eher ein Zeichen des Kalten Krieges war, wie uns unsere hervorragende Führerin Asma erklärte. Dass dadurch der riesige Nassersee entstanden ist, dessen Ende man auf dem Damm stehend noch nicht einmal erahnen kann, ist für uns genauso unvorstellbar gewesen, wie die Tatsache, dass die Unesco zum Schutz der antiken Denkmäler vor den sich anstauenden Wassermassen 18 Tempel an trockene Orte versetzt hat, damit kulturbegeisterte Touristen sie jetzt noch besuchen können. Asma selbst ist Nubierin und hat uns sehr gut die Unterschiede in der Kultur der Ägypter und der Nubier erklärt. In diesem Eintrag werde ich nun keine Ausschweifungen zur Geschichte und Bedeutung der einzelnen Tempel geben, denn das alles kann man im Reiseführer oder im Internet viel besser nachlesen. Stattdessen werde ich versuchen, unsere persönlichen Erlebnisse und prägenden Erinnerungen aufzuschreiben, damit wir auch in Zukunft noch zwischen den gefühlt tausend Tempeln unterscheiden können, die wir besichtigt haben. In Philae sind mir vor allem die sieben Säulen mit den Gesichtern der ägyptischen Göttin für Mutterschaft im Gedächtnis geblieben, deren Mimik sich von ängstlich zu glücklich verwandelt und was für die ersten sieben Lebenstage eines Babys steht, in denen die Mutter früher wohl noch Angst haben musste, ob das Baby überleben würde. Auch die Bootstour zu der Insel war sehr schön, weil man den Tempel schon vom Wasser aus bewundern konnte. Nach dieser ersten Besichtigung ging es für uns zurück zum Nilkreuzfahrtschiff, wo wir beim Abendessen das wirklich reizende amerikanische Pärchen auf Hochzeitsreise kennenlernten, das uns die kommenden drei Tage bei den Mahlzeiten, manchmal aber auch bei den Touren begleiten würde. Die beiden staunten nicht schlecht, als sie unser kleines Gepäck sahen, da sie als Fotografin mit drei verschiedenen, ziemlich großen Kameras und er als Musikproduzent mit einem kleinen Keyboard reisten. Die beiden waren vorher ebenfalls in Rom gewesen und waren im Gegensatz zu den meisten anderen Mitreisenden auf dem Schiff ebenso kultur- und geschichtsbegeistert wie Emma. Dadurch war es mal wieder ein Glücksfall, dass wir sie getroffen haben. Wir fünf waren tatsächlich die einzigen, die nur vier Nächte auf dem Schiff verbrachten, alle anderen waren eine Woche damit unterwegs und hatten viele Sehenswürdigkeiten schon auf der Hinfahrt von Luxor nach Assuan besucht, sodass es nun auf dem Rückweg oft nur unsere kleine Gruppe war, die das Schiff überhaupt verließ.

Der zweite und für uns beeindruckendste Tempel war Abu Simbel. Bereits die knapp vierstündige Anfahrt durch die Wüste, während der die Sonne aufging, war spektakulär, aber nichts im Vergleich zu dem ehrfürchtigen Staunen, das sich bei uns breitmachte, als wir vor den riesigen in den Felsen gehauenen Statuen standen. Obwohl Ramses 2 uns zutiefst unsympathisch war und eigentlich als erster Narzisst in die Geschichtsbücher hätte eingehen sollen – denn wer baut denn bitte einen Tempel für seine Lieblingsfrau (eine von angeblich 54) und verewigt sich in den Statuen dann viermal selbst und nur zweimal die Frau? – , hat uns die ausgeklügelte Bauweise beeindruckt, die zweimal im Jahr dafür sorgt, dass die Sonne beim Sonnenaufgang die Statuen durch einen 60 Meter langen Gang erleuchten lässt. Um den vorherigen Punkt noch zu untermauern, sei hier nur gesagt, dass das Sonnenlicht zuerst die Statue Ramses‘ noch vor den Göttern, die neben ihm sitzen, anstrahlt. Auf die Frage, ob das nicht als Blasphemie gesehen wurde, lachte unser Guide und erklärte, dass das der Grund sei, warum dieser Tempel hier im Süden im Land der Nubier stehen würde, da die Ägypter Ramses‘ Selbsterhöhung zum Gott auch anstößig empfunden hätten. 

Nach den Strapazen der langen Hin- und Herfahrt und dem extrem frühen Aufstehen hatten wir gedacht, dass wir den Rest des Tages zum Regenerieren und Verarbeiten auf dem Nil hätten. Da haben wir aber falsch gedacht, denn als das Boot für uns völlig unverhofft schon am selben Abend in Kom Ombo anlegte, mussten wir gefühlt aus dem Pool direkt in den nächsten Tempel rennen und Sophie hatte im ersten Moment so gar keine Lust, denn in der Pause am Nachnittag hatte sie das vierte Harry Potter Buch zuende gelesen und wollte eigentlich viel lieber den dazugehörigen Film schauen. Sie allein auf dem Boot zu lassen, war aber keine Option, also überredete ich sie mitzukommen und glücklicherweise hatte sie nach der sehr unterhaltsamen anderthalbstündigen Führung selbst das Gefühl, dass es sich gelohnt hatte, denn unser Guide erklärte nicht nur in den schillerndsten Farben, wie bei Zeremonien Kinderpriester hinter Statuen stehend, deren Glasaugen und -lippen im Feuerschein flackerten, auf Befehl des Hohepriesters an den Statuen wackelten, um den Anschein zu erwecken, sie wären lebendig, sondern zeigte uns im angrenzenden Museum auch eine Vielzahl der ausgegrabenen mummifizierten Krokodile und Krokodilseier. Dass diese Führung komplett im Dunkeln stattfand, erhöhte dabei die Spannung noch.

Obwohl wir also erst spät im Bett waren und uns vom Motorgeräusch des inzwischen wieder fahrenden Schiffes in den Schlaf lullen ließen, ging es am nächsten Morgen um halb sieben mit der Pferdekutsche weiter zum Tempel von Edfu, den wir als erste Touristen des Tages mit unseren amerikanischen Mitreisenden ganz für uns allein hatten. Das war an sich schon beeindruckend, aber auch wie groß und gut erhalten der Tempel war und wie durchdacht die Fenster eingesetzt waren, um das Sonnenlicht wie Spotlights an die Wände zu werfen, bleibt bei uns im Gedächtnis. Nach dieser Tour ging es weiter Nilaufwärts und am späten Nachmittag kamen wir in Luxor an. Die eigentlich für den nächsten Tag geplante Heißluftballonfahrt zum Sonnenaufgang musste wegen des Wetters abgesagt werden, was uns für die Amerikaner, die bereits früh am nächsten Morgen weiterfliegen mussten, sehr leid tat, für uns aber bedeutete, dass wir zumindest bis halb sieben liegen bleiben durften. 

Dann ging es ans Westufer des Nils ins Tal der Könige. Hier hatten wir zwar den bisher langweiligsten Führer, aber das machten drei verrückte, portugiesisch sprechende, aber aus Brasilien und Mosambik stammende Frauen in der Gruppe wieder wett, da sie mit ihrem Temperament und ihrem Kaufrausch im Alabasterworkshop immer für Stimmung sorgten. Im Tal der Könige hatten wir ein Ticket, das uns den Besuch von drei Grabstätten erlaubte. Die ersten beiden gab der Guide vor, da er uns die beeindruckend gut erhaltenen Farbhieroglyphen und die verwinkelten Gänge zeigen wollte. Das dritte durften wir uns selbst aussuchen und gegen den Willen der Kinder entschied ich mich für das tiefste und dadurch anstrengendste Grabmal mit vielen Stufen. Im Nachhinein wird uns das aber sicher am besten in Erinnerung bleiben, da wir ganz unten am Steinsarkophag angekommen, von einem der dort arbeitenden Kräfte eine Taschenlampe bekamen, um noch etwas genauer in die dunklen Kammern schauen zu können. Als er den Enthusiasmus der Kinder sah, gab er uns in Zeichensprache zu verstehen, ganz leise zu sein und ihm zu folgen. Also kletterten wir ihm, eigentlich verbotener Weise, hinterher über die Absperrung bis zur anderen Seite des Sarkophags. Auf der Rückseite prangte ein riesiges Loch. Als der Mann uns mit Gesten hineinschickte, waren wir alle drei total aufgeregt. Er kletterte hinter uns her und machte ein Foto, wie wir da andächtig staunend im Sarkophag saßen. Danach half er uns unter dem Blick überraschter anderer Touristen, über die Absperrung wieder hochzuklettern. Überraschender Weise war er der erste Mensch in Ägypten, der das Scheinchen, das ich ihm zum Dank hinstreckte, nicht annehmen wollte und uns stattdessen Fotos von seinen Töchtern zeigte, die etwa in Emmas und Sophies Alter waren. Als ich sagte, er solle davon etwas für seine Töchter kaufen, hat er es dann aber doch genommen, denn das wird sicher eine der Erinnerungen bleiben, die wir nie vergessen werden und dafür wollte ich mich erkenntlich zeigen. Nach dieser unglaublichen Erfahrung ging es zu einem Alabasterworkshop und dann zum Tempel der Hatschepsut, deren Namen man sich laut des Guides am besten mit der Eselsbrücke „Hot chicken soup“ merken konnte. Die Restauration des Tempels der einzigen wirklich regierenden Pharaonin wurde erst 2011 abgeschlossen und beeindruckte dadurch mehr durch die besondere dreistöckige Bauweise in den Felsen als durch ihre antike Authentizität. Auch dass dieser Tempel 1997 Schauplatz eines sehr blutigen Attentats geworden ist, fanden wir schaurig schockierend.

Gestern hatten wir nun das Glück, dass es für uns eine zweite Chance für die Heißluftballonfahrt gab und für dieses Highlight lohnte es sich auf jeden Fall, schon um 4.15 Uhr am Schiff abgeholt zu werden. Erst holten wir noch mehr Touristen mit dem Bus an anderen Schiffen und Hotels ab und dann ging es mit kleinen bunten Booten über den Nil, wo hunderte Minibusse auf die vielen Ballonbegeisterten warteten, um sie zu den unterschiedlichen Startplätzen zu bringen. Andächtig schauten wir zu, wie unzählbar viele Ballons mit großen Körben für durchschnittlich 24 Passagiere abhoben. Als wir an der Reihe waren, kletterten wir aufgeregt in unsere Ecke des Ballons, in der wir nur zur dritt waren und konnten nicht glauben, wie schnell die Erde unter uns verschwand und die Leute klein wie Ameisen wurden. Es war faszinierend, die altägyptischen Schauplätze, die wir gestern schon aus der Nähe besichtigt hatten, von oben zu bewundern. Für uns war es aber mindestens genauso spannend, dass mit uns so viele andere Ballons in der Luft waren. Als der Pilot nach 40 Minuten gekonnt wieder am Startplatz zur Landung ansetzen wollte, beschwerte sich eine ältere französische Furie so lauthals und vehement und drohte mit schlechten Online-Rezensionen, weil wir angeblich nicht so hoch wie andere Ballons geflogen wären und kaum etwas gesehen hätten. Diese Frau muss wohl auf ihren Augen gesessen haben und alle außer den französischen Mitreisenden waren von ihrer drohenden unverschämten Art sehr peinlich berührt. Der Pilot versuchte ihr zu erklären, dass manche Ballons Lizenzen für 700 Meter und manche für 500 Meter hätten und dieser zur letzteren Gruppe gehöre. Davon wollte sie aber nichts wissen, also brachte der Pilot uns wieder auf 500 Meter und zeigte uns noch einmal alle Sehenswürdigkeiten. Inzwischen war es aber deutlich windiger, sodass wir nach etwa 70 Minuten nicht zurück am Startplatz landen konnten, sondern weit entfernt mitten in einem abgeernteten Feld landen mussten. Der Pilot hatte große Angst vor dem Ärger mit den Bauern und sagte, dass sie ihn umbringen würden. Als ich ihm daraufhin antwortete, dass er dann doch einfach sagen soll, wer wirklich für diese Landung verantwortlich war und sie sich diese Person dann als Racheopfer aussuchen könnten, bekam ich einen hasserfüllten bösen französischen Blick, mit dem ich aber gut leben konnte, denn die Drohung der schlechten Onlinebewertung zog bei mir ja nicht. Dass wir durch diese Beschwerde einerseits viel mehr Flugzeit hatten, war natürlich toll. Dadurch hatten wir aber kaum noch Zeit zu frühstücken, bevor unsere Tour zum Karnak- und Luxortempel begann. Obwohl Karnak nach Angkor Wat die größte Tempelanlage der Welt ist, machte sich bei uns Erschöpfung breit und als ein australischer Mitreisender sagte, dass er sich jetzt schon „ausgetempelt“ fühlt, obwohl das sein erster Tag war, wussten wir irgendwie, was er meint. Deswegen gönnten wir uns nach der Führung durch den Luxortempel ausnahmsweise lieber ein Eis, statt ihn noch auf eigene Faust zu erkunden. Bis zur Abfahrt des Nachtzuges durften wir noch in der Lobby eines Hotels abhängen und morgen werden wir es definitiv erstmal ganz langsam angehen.

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