Unser erster Schultag

Am Montag ging es nun los. Ganz aufgeregt hatten wir uns am Vorabend bereits die Kleider für den ersten Schultag raus gelegt und pünktlich um acht Uhr standen wir draußen auf der Straße und warteten auf Sam, der uns zu unserer Schule brachte. Unser Fußweg dauert nur gut 15 Minuten, wofür wir sehr dankbar sind, denn unsere holländischen Mitbewohner laufen jeden Morgen anderthalb Stunden zu ihrer Baustelle. Also haben wir mal wieder Glück. Auf den ersten Blick empfingen uns mehrere bunte Gebäude und eine Wiese mit nur einigen Autoreifen als Spielgeräten und zwei Schaukeln, die allerdings nicht in Gebrauch zu sein schienen. Zuerst stellten wir uns im Lehrerzimmer vor und da es regnete, nahm uns eine Lehrerin mit in den größten Klassenraum, in dem nicht nur alle 120 Kinder, die sich zu unserem Erstaunen nicht als Grundschüler, sondern Kindergartenkinder zwischen 2,5 und 5 Jahren entpuppten, ankamen, sondern auch die ersten anderthalb Stunden singend, schreiend und hüpfend verbrachten. Dabei zeigten sie uns, dass sie schon bis 100 zählen, das Alphabet aufsagen und englische Lieder singen können. Dabei sahen sie in ihren gelben Polohemdchen, roten Pullis und schwarz-weiß-karierten Hosen und Röckchen gepaart mit dicken bunten Jacken und Mützen – denn die 18 Grad, die es am Morgen hat, sind hier tiefster Winter – absolut entzückend aus. Im ersten Moment war Sophie fast ein bisschen eingeschüchtert von den Englischkenntnissen der Knirpse, aber relativ schnell stellte sich heraus, dass sie nur auf ganz konkrete Fragen und Themen gedrillt sind und ansonsten auch nur Suaheli sprechen. Dementsprechend können sie alle Körperteile benennen und es geht ihnen immer gut und sie sind immer glücklich, da nur die positive Antwort eingeübt wird. Aber jetzt will ich mal nicht zu kritisch sein, denn obwohl in Tansania der Stock noch als Nonplusultra der Disziplinierung an allen Schulformen gilt, scheinen diese Kinder wirklich außergewöhnlich glücklich und zufrieden. Allerdings sind diese glücklichen 120 eben auch an einer Privatschule, in denen sie normalerweise in vier Klassenräumen unterrichtet bzw. betreut werden, im Gegensatz zu einer durchschnittlichen Klassengröße von 150 Schülern an öffentlichen Schulen. Nächste Woche haben wir die Chance den Kontrast mit eigenen Augen zu sehen, aber für die erste Woche sind wir bei den kleinen Privilegierten erst einmal sehr gut aufgehoben. Nach anderthalb Stunden Drill klangen uns die Ohren und wir waren dankbar für die halbstündige Pause, die wir mit allen anderen Lehrerinnen im Lehrerzimmer verbrachten und gemeinsam ein zweites Mal frühstückten. In dieser Pause werden die Kinder in den vier Klassenzimmern komplett allein gelassen und das scheint hier völlig normal zu sein. Emma merkte an, dass Kinder in diesem Alter in Deutschland oft noch in die Windeln machen und nicht einmal fünf Minuten allein gelassen werden, aber ein Sprichwort, das uns nun schon neun Monate um die Welt begleitet, ist eben „Andere Länder, andere Sitten“. Auf die Pause folgt täglich eine zweistündige Unterrichtseinheit in einem anderen Fach. Montag Mathe, Dienstag Englisch, Mittwoch Suaheli, Donnerstag nochmal Mathe und Freitag dann Kunst. Schnell wurde uns klar, dass man uns hier wirklich gut brauchen kann, wenn erstmal vorrangig nur als Kopiermaschinenersatz, denn alle Aufgaben werden den Kindern in die Hefte geschrieben, da es weder Drucker noch Kopierer oder Papier gibt. Bei den Kleinsten spurten Sophie und ich also fleißig Zahlen zum Nachschreiben vor, während Emma bei den größten schon einfache Matheaufgaben abschreiben durfte. Danach sind wir mit jeweils nur einem Bleistift bewaffnet von Kind zu Kind und mussten bei den Kleinen zum Großteil noch die Hand beim Schreiben führen. Danach wird das gemeinsam Geschaffte in Rot abgezeichnet und die Heftchen verschwinden mit der Hausaufgabe und einem stolzen Lächeln wieder in den Rucksäckchen, die die Kinder den ganzen Vormittag über nicht abnehmen. Dass dieses Vorgehen sicher nicht effizient ist und bei den einzelnen Kindern sehr viel Leerlauf fürs Blödsinnmachen lässt, scheint die Lehrerinnen nicht zu stören und wir beobachten es fasziniert. Wenn die Tagesaufgaben erledigt sind, bekommt jedes Kind einen Becher Porridge und dann wird gespielt, bis der Schulbus oder die Mamis kommen. Dabei sind Emma und Sophie die Superstars und haben an jedem Finger mindestens zwei Kinder hängen. Inzwischen habe ich ins Präsens gewechselt, da unsere inzwischen ersten drei Schultage gezeigt haben, dass das nun unser neuer Vormittagsrhythmus ist und ich könnte mal wieder nicht stolzer auf meine Töchter sein, die hier wie Erwachsene oder vielleicht zuverlässiger als die meisten anderen Freiwilligen, die öfter mal mit einem Kater ausfallen, ihre Aufgaben erledigen und sich liebevoll um die kleinen Knirpse kümmern.

Gegen 12.30 Uhr sind dann nur noch die 10 Tageskinder übrig und wir laufen zurück zu unserer Gastfamilie, wo es täglich neue kulinarische Köstlichkeiten für uns zu entdecken gibt. Um kurz vor vier laufen wir dann zur Bibliothek, wo noch zwei Stunden Hausaufgabenbetreuung bzw. Nachhilfe für die älteren Kinder der Nachbarschaft, die zum Großteil auf öffentliche Schulen oder gar nicht zur Schule gehen, ansteht. Der Unterschied zwischen den Kleinen am Vormittag und den Großen am Nachmittag ist nicht nur vom Lernstand sondern auch vom Kleidungszustand nicht zu übersehen. Dadurch sind die Stunden am Nachmittag anstrengend, aber man hat das Gefühl, dass wir hier noch viel dringender gebraucht werden. Während wir Montag und Dienstag bei Mathe- und Englischaufgaben geholfen haben, wurden wir heute spontan eingesetzt, allen etwa 60 Kindern die Grundlagen der deutschen Sprache beizubringen. Sophie hat das leider verpasst, weil sie heute mal ausgiebig mit ihrer Freundin zuhause quatschen wollte, aber Emma und ich waren schwer beeindruckt, dass die Kinder auch nach den typischen Floskeln, den Zahlen bis 10, den Wochentagen, den Monaten, den Farben und vielen Tieren immer noch nicht genug hatten. Am Ende hatten wir aber noch Zeit zum Spielen, wobei wir einige lustige Spiele auf Suaheli kennenlernen durften. Die ersten drei Tage als Freiwillige waren also voller neuer Eindrücke, Aufgaben und Glücksmomente.

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