Heute muss ich als erstes eine Warnung vorausschicken, dass Zartbesaitete vielleicht nur den ersten Abscnitt lesen sollten, denn darin geht es um die zuckersüßen Hündchen, die am Montag neu auf der Farm angekommen sind und unseren Pferdealltag. Wir können überhaupt nicht glauben, wie schnell die Zeit hier vergeht und auch wie gut uns die Arbeit mit den Tieren an der frischen Luft tut. Inzwischen haben wir uns hier noch mehr eingelebt und leben unseren neuen Alltag auf der Pferdefarm, wie ich es im letzten Eintrag beschrieben habe. Jeden Morgen begrüßt uns ein fulminanter Sonnenaufgang und bis etwa acht Uhr ist es frisch, also tragen wir bis dahin unsere neuen, hier in Südafrika gekauften Kuscheljacken – nach gut fünf Monaten ist nun auch das Paket mit unseren Multifunktionsjacken, Emmas erstem Tagebuch und Sophies neuseeländischen Barbies, das wir im Januar in Australien per Boot losgeschickt hatten, bei meinen Eltern angekommen -, während wir das Pferdefutter vorbereiten und die Pferde auf dem riesigen Areal suchen. Auf diesen Fahrten haben wir alle drei schon Bekanntschaft mit den dornigen Büschen Südafrikas gemacht, tragen die kleinen Macken im Gesicht bzw. Löcher in den T-Shirts aber mit Stolz, weil das hier halt einfach dazu gehört. Neben dem Putzen, Longieren und Reiten der Pferde – inzwischen waren wir mit Marli schon auf zwei richtig tollen Trailritten auf dem Gelände der Farm – waren wir letzte Woche vor allem auch damit beschäftigt, Steine und Erde mit dem Bakkie in Camp 5 und 6, wo sich die Pferde tagsüber aufhalten, zu fahren, um dort die sehr tiefen Termitenlöcher zu füllen, in denen die Pferde sich leicht die Beine brechen könnten. Da zwei Pferde noch nicht lange hier sind und sich erst ihren Platz in der Herde suchen mussten, wurde die ganze Herde erst im Laufe der letzten Woche das erste Mal wieder nachts raus auf das große Areal der Farm gelassen und dieses Schauspiel, wie die Pferde wie begeisterte kleine Kinder direkt zum Damm, einem großen Wasserloch rannten und sich zum Großteil darin suhlten und wälzten, werde ich nie vergessen, denn noch nirgendwo, außer vielleicht in Patagonien, habe ich jemals gesehen, dass Pferde so natürlich, frei und glücklich gehalten werden wie hier. Dass das am nächsten Tag bedeutete, dass viele mehr wie Erdferkelchen aussahen und das Putzen dadurch eine ganz neue Herausforderung war, störte uns dabei kein bisschen. An einem Nachmittag fuhren wir mit Uli zur Nachbarfarm SanWild, wo aus Zoos oder von Tierversuchen gerettete Löwen ihren Lebensabend verbringen dürfen, es aber auch viele wilde Tiere gibt. Während dieses Gamedrives hatte Miss Sophie, wie das offene Geländefahrzeug zu Sophies Begeisterung heißt, einen Platten, was völlig stoisch hingenommen wurde und der bei der schönen Lodge der Farm repariert wurde. Danach ging es für uns weiter zu den beiden, von Menschen aufgezogenen Hyänen, die mit insgesamt sechs Hühnern gefüttert wurden. Auch Emma durfte eins davon über den Zaun ins Gehege pfeffern, während uns die Studenten des Studienfachs Wildlife Conservation, die hier ihr Praktikum machen, erzählten, dass Hyänen immer wilde Tiere bleiben und es zu gefährlich geworden ist, sie frei herumlaufen zu lassen, weil sie keine Scheu vor Menschen haben. Uli hatte uns das vorher schon in den schillerndsten Farben viel interessanter erklärt und Emma und Sophie hängen immer an ihren Lippen, wenn sie eine ihrer vielen sehr lehrreichen Pferde- oder Tiergeschichten erzählt. Neben der Pferdeliebe steht hier ja vor allem auch die Hundeliebe im Vordergrund und am Montag war es nun so weit und mit Ailin und Leila zogen die Nummer 12 und Nummer 13 auf der Farm ein. Dabei handelt es sich um zwei achtwöchige Kangalwelpen, derem extremen Süßheitsgrad sich niemand erwehren kann und so saßen wir alle mit Herzchen in den Augen auf der Terrasse und nachdem sie die großen Hunde erst vom Schoß aus kennenlernen durften, sahen wir verzückt zu, wie sie später im Gras nähere Bekanntschaft mit den Großen machten. In jeder Trink- oder Toilettenpause findet man Sophie und auch Emma nun bei den Welpen. Als dann aber auch noch am selben Abend die ersten Küken im Brutkasten schlüpften, ist es für die Mädels nun manchmal schwer zu entscheiden, bei welchen Tierbabys sie lieber zuschauen sollten. Insgesamt ist das einfach alles nur ein Traum…
Als Marli am Montag aber auch ankündigte, dass ihr Vater nachmittags mit mehreren Männern käme, um Impalas auf der Farm zu schießen, hatte ich kurz gedacht, dass der Traum bei den Kindern eventuell zum Trauma werden könnte, waren sie im Gegensatz zu mir, noch nie beim Schlachten eines Tieres dabei gewesen. Für mich als Mädel vom Land war das Schlachten von Schweinen bei meiner Oma auf dem Bauernhof oder auch meiner lieben Kindertante nichts Ungewöhnliches, wenn auch immer etwas Besonderes. Meine Mutter hatte aber immer streng darauf geachtet, dass wir Kinder nicht dabei waren, wenn das Tier getötet wurde, sondern erst kamen, wenn die Schweinehälften schon zur weiteren Bearbeitung in der Scheune oder Waschküche hingen. Deswegen war ich sehr froh, als Uli uns ins Buschcamp schickte, um etwas zum Abendessen zu kochen, statt mit Marli und ihrem Vater und seinen Freunden auf die Jagd zu gehen. Vorher lernten wir noch, dass die Impalaböcke geschossen werden müssen, um Inzucht zu vermeiden und dass das eben Aufgabe der Besitzer ist, wenn man der Natur mit Zäunen Einhalt gebietet und sich sonst genetische Defekte in der Herde entwickeln. Gejagt werden darf nur nachts, weil es die wilden Tiere am Wenigsten beeinträchtigt und erschreckt und so konnten wir vom Buschcamp auf dem Hügel immer wieder die starken Taschenlampen und Scheinwerfer des Autos sehen und die Schüsse hören. Marli kam erst um Mitternacht zurück und als sie uns gestern Morgen begeistert erzählte, dass sie sieben Böcke geschossen und nachts noch ausgenommen hätten und heute nun das Häuten, Zerlegen und zu Hundefutterverarbeiten anstand, wurde meine Angst vor dem Trauma bei den Kindern kurz wieder größer. Wie immer versorgten wir aber erst die Pferde, wuschen dann das blutverschmierte Geländefahrzeug und nach der Frühstückspause tastete ich mich erst einmal allein vor und sah Milton und Aida, zwei von den Farmarbeitern, beim Häuten zu. Als sie mich fragten, ob ich es mal probieren wollte, sagte ich wider Erwarten nicht nein, denn bei unserer Reise geht es ja auch darum, neue Erfahrungen zu machen und den Horizont zu erweitern und wenn man nun mal auf einer Gamefarm arbeitet, gehört auch das dazu. Tatsächlich fand ich es auch nicht eklig, sondern einen natürlichen Prozess, denn wir essen nunmal Fleisch und ich habe immer getönt, dass man das nur kann, wenn man auch bereit wäre, ein Tier zu schlachten und dazu musste ich jetzt auch stehen. Zurück bei den Kindern erzählte ich ihnen von meiner neuen Erkenntnis und beide wurden nun auch neugierig. Mutig wie Emma immer ist, ließ auch sie sich von Aida zeigen, wie das Häuten funktioniert, während Sophie sich das Ganze lieber aus der Ferne ansah. Schnell wurde uns klar, wieviel Arbeit es bedeutete, die übrigen sechs Böcke – einen hatte Marlis Vater mitgenommen – zu verarbeiten und als Aida fragte, ob wir helfen könnten, stellte Uli uns frei, ob wir lieber wie immer die Pferde versorgen oder im Kühlhaus helfen wollten. Da wir bereits acht Pferde geputzt und zwei bewegt hatten, entschieden Emma und ich uns für Letzteres, während Sophie und Marli sich noch um drei weitere Pferde kümmerten. Später kamen aber auch die beiden mit Uli dazu und für mich völlig überraschend sagte Sophie, dass sie gern mithelfen wollte, das Fleisch, das Aida und ich von den Tieren geschnitten hatten, in Hundefutter taugliche Stücke zu schneiden. Also erstellten wir eine Produktionskette: Aida und ich zerlegten die Tiere und schnitten das Fleisch vom Körper – in meiner ganzen Schulzeit habe ich nicht so viel über Anatomie gelernt wie am gestrigen Nachmittag -, Sophie und Uli schnitten das Fleisch in mund- oder besser gesagt maulgerechte Stücke, Marli kümmerte sich um die Organe und Emma verpackte eine Mischung aus Fleisch und Organstücken in Kilopackungen und vakuumierte diese. Damit waren wir den Rest des Tages beschäftigt und als wir endlich das letzte Impala verarbeitet hatten und 130 Kilo Fleisch gut verpackt und portioniert im Kühlraum verschwunden waren, gab uns Uli als Dank einen der Schenkel mit, den wir nun nach ein paar Tagen Ruhen auf dem Feuer braten werden. Wahrscheinlich werden nun alle Tierschützer und Vegetarier in unserem Bekanntenkreis die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und fragen: „Wie könnt ihr nur?“ Aber tatsächlich muss ich sagen, dass ich sehr stolz auf Emma und Sophie bin. Ohne mit der Wimper zu Zucken, haben sie ihre Komfortzone verlassen, gesehen, dass das Leben hier eben anders ist, dass das Jagen und Schlachten Teil dieses Lebens ist, dass es keine natürlichere Art gibt, besseres Futter für die geliebten Hunde herzustellen und dass hier nichts verschwendet wird. Aus den Knochen machen die Farmarbeiter nämlich Suppe. Zu guter Letzt durften sich die Kinder noch die schönsten Hörner als Andenken aussuchen und wir sind wieder um eine Erfahrung reicher.