Quilotoa – anders als gedacht

Gestern Abend beim Abendessen haben wir dann übrigens doch noch viel Demonstranten in der Ferne trommeln und pfeifen hören, aber wie es der Reiseführer empfiehlt, haben wir da einen großen Bogen drum gemacht und stattdessen im Café Bolivar unser leckeres Abendessen genossen.

Heute Morgen wurden wir dann pünktlich um halb acht zu der gestern gebuchten Tour zum Quilotoa See abgeholt. Wir waren fast die letzten Passagiere und setzten uns deswegen wie früher die coolen Kinder im Schulbus in die letzte Reihe. Eine Entscheidung, die ich, kaum dass wir vom Panamerican Highway in die Berge abgebogen sind, bitter bereute.

Unser Guide Adrian leitete zuerst einmal eine Vorstellungsrunde ein, in der es ihm vor allem darum ging, woher wir kamen und wie akklimatisiert wir für die anstehende Höhe von knapp 4000 Metern waren, denn er warnte uns vor der sehr anspruchsvollen Wanderung. Er begann doch tatsächlich ganz hinten mit uns und als ich ihm freudestrahlend erzählte, dass wir erst seit vorgestern wieder auf Quitos 2800 Metern waren und vorher eine Woche am Strand auf Höhe des Meeresspiegel abgehangen hatten, aber ja sowieso nicht wandern sondern reiten wollten, gab er uns die sehr ernüchternde Antwort, dass er uns das wirklich nicht empfehlen würde, da die Pferde und Maultiere unter sehr schlechten Bedingungen gehalten würden und den ganzen Tag faule Touristen die 400 Meter Höhenunterschied rauf und runter schleppen müssten.

Beschämt, sprachlos, aber auch wütend auf die Tante im Reisebüro, der ich am Tag vorher ja ganz explizit gesagt hatte, dass wir reiten wollten, aber uns auch das Tierwohl sehr am Herzen liegt, verpasste ich den Rest der Vorstellungsrunde, weil ich meiner Enttäuschung sofort mit einer Beschwerde-WhatsApp Luft machen musste. Als ich mich dann genauer im Bus umschaute, kam ich mir in meiner Reithose und mit dem süßen Welt-Turnbeutel auf dem Rücken, den uns unsere lieben Nachbarn vor der Weltreise geschenkt haben, im Vergleich zu den anderen bis zu den Fußspitzen in perfekten Outdooroutfits gekleideten und mit Wanderstöcken und Rucksäcken mit eingebauten Waterpacks ausgestatteten Mitreisenden ziemlich unpassend vor.

Den Kindern sagte ich davon erstmal noch nichts und nutzte die Frühstückspause, Adrian von unserem Missverständnis zu erzählen und dass ich nun Angst hatte, dass wir eigentlich gar nicht richtig für diese Tour vorbereitet und gekleidet waren. Da sagte er, dass wir uns die Pferde ja einfach mal anschauen und dann selbst entscheiden könnten, was wir machen wollten. Diese Entscheidung mussten wir aber erst drei Stunden später treffen, denn bis dahin standen noch mehrere spektakuläre Fotostops an einer Schlucht und mit Blick auf den Cotopaxi, Ecuadors zweithöchsten Vulkan mit weit über 5000 Metern, ein Besuch in einem indigenen Künstlerdorf und das Anstoßen mit dem landestypischen heißen Canelazo an – für mich ohne Schuss, damit ich nicht im Fall der Fälle noch vom Pferd kippte! Während dieser drei Stunden vergaß ich meine Enttäuschung völlig, da mir erst jetzt bewusst wurde, in was für einer faszinierenden Reisegruppe wir hier unterwegs waren.

Sie bestand aus zwei Südkoreanern Mitte 20, die insgesamt drei Monate durch Süd- und Nordamerika reisten und deren Enthusiasmus für alles, was wir erlebten, wirklich ansteckend war; einem etwas älteren israelischen Paar, das plant, einen Monat durch Ecuador und Peru zu reisen, aber gerade erst begonnen und dadurch noch einen Kulturschock hatte, was die Höhe, die kalten Duschen und die oft nicht funktionierenden Toiletten angeht; zwei chinesischen Männern, die heute Morgen erst aus Kalifornien in Quito gelandet waren und dementsprechend die größten Probleme mit der Höhe hatten, dafür aber ganz begeistert vom Candelazo mit einem extra Schuss waren; einem nur heute alleinreisenden amerikanischen Vater, der sich bei dem Versuch seinen Sohn aufzufangen, als er aus einem Boot gefallen ist, den Finger gebrochen hatte, weswegen ihm ständig der Wanderstock aus der begipstem Hand fiel; einem älteren Herren, der ursprünglich aus Ecuador kommt und nach über 30 Jahren im Ausland die Highlights seines Heimatlandes erkunden wollte; und zu guter Letzt natürlich aus uns drei mit Reiterhosen bekleideten Deutschen, die zur allgemeinen Verwirrung mit anderen Touristen im Restaurant dann auch noch Holländisch sprachen.

Diese bunte Truppe machte sich dann gegen zwölf Uhr an den Abstieg zum Quilotoa See und schnell stellte sich heraus, dass hier jeder in seinem eigenen Tempo gehen musste, denn der Weg war durch die Steilheit und den staubigen rutschenden Boden eine echte Herausforderung, von der einen die atemberaubenden Ausblicke aber immer wieder ablenkten. Auf dem Weg nach unten kamen uns viele von traditionell gekleideten Einheimischen geführte Pferdchen schwitzend und schnaufend, mit Flip-Flops tragenden und leider oft auch übergewichtigen Touristen beladen entgegen und ich verstand sofort, was Adrian am Anfang der Busfahrt gemeint hatte.

Da ich den Mädels aber einen Ritt versprochen hatte, überließ ich ihnen, die Entscheidung, ob sie sich die 400 Höhenmeter auf dem sehr anspruchsvollen Weg hochtragen lassen wollten. Beide waren sich sofort einig, dass sie das auf keinen Fall wollten und verfütterten bei der nächsten Gelegenheit die Äpfel, die eigentlich unser Reiseproviant waren, an die geschundenen Tiere. Auch wenn beim Aufstieg ich es war, die zwischenzeitlich das Gefühl hatte, ein Sauerstoffzelt zu brauchen, war ich sehr stolz auf die Entscheidung der Kinder, die später im Bus auch mit einem tosenden Applaus von allen Mitreisenden belohnt wurde.

Der Rest der Gruppe fuhr zurück nach Quito, aber wir haben uns bei einer Tankstelle absetzen lassen, von wo aus wir ein Taxi ins nahe gelegene Latacunga nahmen, wo heute, morgen und übermorgen eine rauschende, wenn auch wohl etwas politisch inkorrekte, Party zu Ehren der Mama Negra steigt, die den Ort schon immer vor den Vulkanausbrüchen schützt. Ironischerweise steht aber im Reiseführer, dass Latacunga schon dreimal komplett von Lava und Asche verschüttet wurde, aber was soll‘s, denn mein Motto ist ja schließlich auch, dass man die Feste feiern soll, wo sie fallen!

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