Im Polizeiauto statt am Wasserfall

Heute kam wirklich alles anders, als gedacht. Eigentlich war der Plan, dass wir über Otavalo zur Grenze nach Kolumbien fahren. In Otavalo gibt es einen sehr authentischen Markt mit handgemachter Kunst und Kleidung und in der Nähe gibt es einen tollen Wasserfall, den wir uns noch ansehen wollten, bevor es weiter nach Tulcan gehen sollte.

Der Bus in Otavalo hat aber nicht am Bahnhof gehalten, sondern ist einfach durchgerauscht, was wir erst gemerkt haben, als es schon fast zu spät war und wir schon am anderen Ende der Stadt waren. Dann musste alles ganz schnell gehen und wir sind quasi mit unserem Gepäck aus dem Bus gesprungen, während er schon weiter raste. An der Bushaltestelle merkte Pascal plötzlich, dass sein Tagesrucksack unten offen war. Im ersten Moment dachten wir noch, dass sei ein Versehen, aber als er sein IPad und seine Kamera nicht finden konnte, vermuteten wir schon, dass es sich hier um einen im Reiseführer als typisch beschriebenen Busdiebstahl handelte, bei dem das Opfer von einer Person abgelenkt wird, während eine andere die Sachen klaut. Pascal wurde nämlich gleich am Anfang der Fahrt von einem Mann, den wir für einen Mitarbeiter des Busunternehmens hielten, gebeten, dass Klappfenster im Bus oben aufzumachen – eine völlig verständliche Bitte, denn schließlich ist er zwei Köpfe größer als der ecuadorianische Durchschnittseinwohner. Dass der Mann vorher aber noch Pascals Rucksack am Boden umgedreht hat, hätte uns aber doch im wahrsten Sinne des Wortes Spanisch vorkommen müssen. Wahrscheinlich hat jemand anderes die Situation direkt genutzt und sich vom Sitz hinter Pascal am Rucksack zu schaffen gemacht. Leider haben wir alle vier es aber nicht gemerkt, bis eben die Sachen fehlten.

Pascal ist dann mit dem nächsten Bus unserem bis in die nächste Stadt namens Ibarra nachgefahren, um sicher zu gehen, dass die Sachen nicht doch nur aus dem Rucksack gerutscht sind und vielleicht im Fundbüro abgegeben worden sind, denn es fehlten auch noch Sophies und Pascals Jacken, die ja deutlich weniger wertvoll sind. Leider hat sich diese Hoffnung aber nicht bestätigt. Während Pascal also unterwegs war, haben wir drei einen Stadtbus zurück zum Busbahnhof genommen, wo wir unser Gepäck zur Verwahrung abgegeben haben, um uns dann erst den Markt anzuschauen, auf dem es wirklich tolle Sachen gab, und dann Mittag zu essen. Während die Mädels zum Nachtisch noch ein Eis schleckten, kam Pascal mit der Information aus Ibarra zurück, dass er sich in Otavalo an die Polizei wenden müsse. Also nahmen wir allesamt ein Taxi zum Polizeipräsidium, wo uns dann aber gesagt wurde, dass wir wieder ins 30 Kilometer entfernte Ibarra fahren müssten, um erst herauszufinden, mit welchem Busunternehmen wir gefahren waren, was wir leider alle vergessen hatten, und uns dann wieder dort an die Polizei wenden sollten.

Pascal fuhr diese Strecke nun zum dritten Mal, was seiner Genervtheit leider keine Abhilfe verschaffte. Auch die Kaltschnäuzigkeit der Dame am Schalter des Busunternehmens verbesserte die Laune nicht. Als wir uns dann aber an die örtliche Polizeidienststelle wendeten, war da plötzlich wieder die Hilfsbereitschaft, die ich in den letzten Wochen immer wieder bei der ecuadorianischen Bevölkerung gefunden habe. Ein etwas älterer Polizist ging mit mir zusammen zum Schalter und forderte alle Informationen ein, deren Auskunft die zickige Dame mir verweigert hatte, während ein junger Polizist mit Pascal versuchte, das IPad zu orten – leider ohne Erfolg.

Die Mädels fanden die ganze Erfahrung insgesamt sogar recht spannend. Erst als Sophie klar wurde, dass auch ihre graue Lieblingsjacke weg war, drohte die Stimmung zu kippen. Da kam aber schon ein Polizeiauto angefahren, das doch tatsächlich als unser Taxi zum echten Polizeirevier fungierte. Auf Anraten des älteren Polizisten bin ich hier mit Sophie gefahren, weil eben wirklich niemand auf dem ganzen Revier Englisch konnte und das bisschen Spanisch, das ich inzwischen gelernt habe, nötig war, um die Anzeige für die Versicherung aufzugeben. Emma und Pascal haben sich in der Zwischenzeit um den Ersatz für Pascals Adapter, der mit allen Aufladekabeln ebenfalls gestohlen worden war, gekümmert.

Als wir dann um sechs Uhr abends wieder alle zusammen mit unserem Gepäck am Busbahnhof standen, gab es leider keinen Bus mehr zu unserem eigentlichen Tagesziel Tulcan und so waren wir in Ibarra gestrandet, wo wir auch nur noch Kraft hatten, uns ein Hotel zu suchen und ein Abendessen mitzunehmen. Morgen geht es dann ganz früh weiter auf dem Weg nach Kolumbien. Auch wenn das heute vor allem für Pascal eine sehr negative Erfahrung war, scheint eine solche in Südamerika aber eben doch ins Repertoire der Reisegeschichten zu gehören… und wenn man manch anderen Reisenden Glauben schenkt, haben wir Glück, dass es nur Diebstahl und nicht Raub war, der deutlich traumatisierender gewesen wäre. So ist doch alles ersetzbar und Pascal hat gestern Abend wohl noch in weiser Voraussicht ein Daten-Backup auf dem IPad gemacht.

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