Heute Morgen haben wir uns beim Geräusch des strömenden Regens auf dem Dach noch einmal die Decken über den Kopf gezogen und noch eine Runde gekuschelt. Als ich dann aber nach dem Frühstück losgezogen bin, die nächsten Bustickets am Busbahnhof zu besorgen, was in Chile komischerweise nicht immer online geht, weil man da nicht auf alle Verbindungen zugreifen kann, war ich froh, dass ich mich mit Sonnencreme eingeschmiert hatte, denn die Sonne strahlte bei dem sich mir nun bietenden Ausblick mit mir um die Wette.
Das kleine Örtchen war im Sonnenschein mit dem glitzernden Wasser, den tausenden Löwenzähnen und den Schneebergen im Hintergrund wie verwandelt. Das Wetter motivierte mich, den langen Rückweg vom Busbahnhof an der Küste entlang zurück zum Hostel zu nehmen, wobei ich richtig ins Schwitzen kam.
Zurück in der Unterkunft kochten wir dann zu dritt eine Champignonsuppe, die mein Neffe Jonas mal treffend als Olchi- oder auch Schlammsuppe bezeichnet hat, aber wir lieben sie trotz ihres Aussehens immer noch heiß und innig und sie war vor dem Ausritt am Nachmittag genau die richtige Stärkung. Der Besitzer unseres Hostels chauffierte uns zusammen mit einer anderen deutschen Touristin Theresa zur Pferdefarm, wo unser langhaariger Vorreiter namens Melqui, der sich allein mit seiner Frau um die 40 Pferde und 400 Kühe kümmert, und ein reitunerfahrener Engländer namens Allen auf uns warteten. Nachdem wir uns die Chaps und Reithelme angeschnallt hatten, ging es auch direkt zu den Pferden, wo der liebe Melqui uns allen unsere Pferde zuwies. Dabei zeigte er sehr viel Menschen- und Pferdekenntnis und setzte uns auf die passenden Pferde. Vom ersten Moment an waren wir alle glücklich und fanden das zugewiesene Pferd das schönste und tollste. Meine Blanquita war total verschmust und verfressen, war wohl die Liebe von Allens kleinem Hengst und zickte auch mal kapriziös die anderen Stuten mit angelegten Ohren an, wenn sie zwischen die beiden kamen. Wenn es aber drauf an kam, konnte sie Gas geben und rennen wie der Wind. Insgesamt fand ich also, dass wir ziemlich gut zueinander passten.
Nach ein paar gemächlichen Minuten zum ersten Gatter, das wir durchquerten und auf einmal mitten durch die vielen Kühe mit frisch geborenen Kälbchen ritten, ließ Melqui uns gleich das erste Mal angaloppieren und die Kälbchen rannten im Gegensatz zu Allens kleinem Hengst mit, so schnell die kurzen Beinchen sie trugen und das war wirklich erstaunlich schnell. Allen, der erst zum zweiten Mal in seinem Leben auf einem Pferd saß, war froh, dass sein Pferd keinerlei Ehrgeiz hatte, bei den großen mitzuhalten, und stoisch in einem langsamen Trott hinterher zuckelte. Weil Melqui also immer mal wieder zwischen uns deutschen Reitermädels vorne – Theresa reitet schon seit 15 Jahren und hatte dementsprechend das temperamentvollste Pferd abbekommen – und dem entspannten Engländer hinten hin und her ritt, hatten wir nicht nur Gelegenheit zu quatschen, sondern auch die beeindruckende Landschaft zu genießen. Immer wieder stockte uns der Atem, wenn wir um eine Ecke oder über eine Anhöhe ritten und denn glitzernden Lago Sofia vor den schneebedeckten Ausläufern der Anden liegen sahen.
In einer Höhle, die im Winter von Pumas bewohnt wird und in der ein Zahn eines prähistorischen Säbelzahntigers gefunden worden war, machten wir eine kurze Pause, bevor es dann, wie die Überschrift schon verspricht, im gestreckten Galopp nicht zum, sondern tatsächlich in den See ging. Sophies Pferd Ferud, das vorher recht ruhig war, mochte das Wasser wohl besonders und zeigte auf diesem Abschnitt seine Araber-Blutlinie und ließ uns alle weit hinter sich. Während Sophie zuerst fröhlich lachte, konnte ich nach einer Weile doch an ihrer Körperhaltung sehen, dass ihr dieses abenteuerliche Tempo nicht ganz geheuer war. Als ich Melqui, der uns da gerade filmte, meine Bedenken zurief, preschte der mit meinem Handy in der Hand los, holte Sophie in nullkommanix ein und bremste ihr Pferd gekonnt ab. Bis ich bei beiden war, strahlte Sophie schon wieder glücklich und meinte sie hätte ein Kribbeln im Bauch wie bei einer Achterbahnfahrt. Da bewegte sich auch mein Herz wieder in die richtige Richtung, denn vorher war es mir bis in die Hose gerutscht.
Nach kurzer Zeit war es dann auch Sophie, die fragte, wann wir wieder galoppieren durften und das musste man weder Melqui noch die Pferde zweimal fragen. Am Ufer des Sees entlang, manchmal im Wasser, manchmal an Land, ritt ich nun Emma hinterher, die vor Glück die Arme in die Luft warf. Ich dagegen hielt sie mir vors Gesicht, da die Hufe ihres Pferdes immer wieder Steinchen hochwirbelten, die ich nicht ins Auge kriegen wollte. Nichtsdestotrotz war auch ich im selben Glücksrausch wie die Kinder und in diesem Moment wusste ich, dass sich unsere Stippvisite nach Patagonien, egal was noch kommen mag, auf jeden Fall gelohnt hat.
Als wäre dieser Ausflug nicht schon Glück genug gewesen, kamen beim Absteigen auch noch zwei zweimonatige Welpen mit Melquis Frau angedackelt, die den Mädels den Abschied von den Pferden versüßten und mit denen sie schmusten, bis wir wieder abgeholt wurden.
Zurück im Hostel machte ich mich diesmal allein ans Kochen und auf Wunsch der Mädels gab es diesmal Bohnen im Speck mit Kartoffelbrei und als Nachtisch natürlich Schokoladenkuchen… nach diesem Tag fragten wir uns alle drei, ob das Leben wohl noch besser werden kann?
Das klingt mal wieder sehr gut. Ich denke, nach dem Jahr Weltreise, seid ihr drei Profireiter! 😀